Resveratrol und Herz-Kreislauf-Gesundheit: Mythos oder wissenschaftlich belegter Schutz?

Leila WehrhahnAktualisiert:

French Paradox vs. Realität 2025: Die Vorstellung “Rotwein = Herzgesundheit” ist im deutschsprachigen Raum hartnäckig. Doch heute gilt: Weder WHO Europa noch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sehen Alkohol als gesundheitsförderlich an – es gibt keine sichere Dosis. Für die Herzgesundheit zählt deshalb nicht der Wein, sondern der darin vorkommende Pflanzenstoff Resveratrol. In diesem Leitfaden fassen wir für Sie zusammen, wo Resveratrol wirklich punkten kann, wie man es sicher einsetzt und welche Erwartungen realistisch sind. Verlassen Sie sich auf Evidenz, nicht auf Mythen. WHO Europe: keine sichere Alkoholmenge; DGE-Position 2024: Verzicht auf Alkohol.

Die drei wichtigsten Erkenntnisse vorab

  • Die konsistentesten menschlichen Effekte von Resveratrol betreffen die Endothelfunktion und eine niedriggradige Entzündung; Blutdruck und Lipide verändern sich – wenn überhaupt – nur gering. Große Studien zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder Sterblichkeit fehlen bisher. Meta-Analyse Endothelfunktion.
  • Wenn Sie Resveratrol ausprobieren, tun Sie es strukturiert und sicher: z. B. 150–250 mg/Tag trans-Resveratrol für 8–12 Wochen und nur in Rücksprache mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt – besonders bei Blutverdünnern oder mehreren Medikamenten. EFSA-Sicherheitsbewertung.
  • Rotwein ist kein tragfähiger “Lieferant”: Die typischen Resveratrolmengen in Wein sind viel zu niedrig, und Alkohol ist nach WHO/DGE nicht gesund. WHO Europe; DGE-Position.

Was ist Resveratrol – und was ist trans-Resveratrol?

Resveratrol ist ein Polyphenol aus der Gruppe der Stilbene. Biologisch relevant ist vor allem die trans-Form. Vorkommen: Beerenschalen (z. B. Trauben), Erdnüsse und besonders der japanische Staudenknöterich (Polygonum cuspidatum), der häufig als Rohstoff für Nahrungsergänzungen dient. In Rotwein schwanken die Konzentrationen stark – viele Weine liegen nur im Bereich einiger Milligramm pro Liter. Beispielrechnung: Angenommen 3 mg/L, dann entsprächen 150 mg etwa 50 Litern Wein. Zudem nimmt der Gehalt mit Lagerung/Alterung ab. Review zu Gehaltsbereichen in Lebensmitteln und Wein.

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Resveratrol kommt natürlich in Schalen von Trauben, Beeren und im japanischen Staudenknöterich vor. Die Weinmengen reichen bei Weitem nicht aus, um Studien-Dosen zu erreichen.

Warum Resveratrol für das Herz interessant ist: Mechanismen

Im Gefäßinneren (Endothel) erhöht Resveratrol die Aktivität der endothelialen NO-Synthase (eNOS), steigert die Stickoxid-(NO)-Verfügbarkeit, senkt oxidativen Stress und hemmt Endothelin‑1. Beteiligt sind Signalwege über SIRT1 und AMPK sowie eine Modulation von Östrogenrezeptoren. In Summe fördert das Vasodilatation, bremst Entzündung (z. B. TNF‑α) und kann Gefäßsteifigkeit günstig beeinflussen. Übersichtsarbeit zu Endothelfunktion/SIRT1/AMPK.

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Resveratrol wirkt im Endothel: mehr NO, weniger oxidativer Stress und Entzündung. Das erklärt, warum vor allem die Gefäßfunktion in Studien anspricht.

Menschliche Evidenz im Überblick

Endothelfunktion (Flow-Mediated Dilation, FMD)

Mehrere Meta-Analysen zeigen eine modeste, aber signifikante Verbesserung der FMD; Heterogenität ist hoch. Aktuelle randomisierte Daten bei Hochrisikopersonen (z. B. CKD + Diabetes, 400 mg/Tag, 6 Wochen) bestätigen den Effekt auf die FMD, ohne Blutdruck oder Lipide parallel zu verändern. Meta-Analyse FMD; RCT bei CKD + Diabetes.

Blutdruck

Die Gesamteffekte sind klein und uneinheitlich. Eine frühe Meta-Analyse fand eine Senkung des systolischen Blutdrucks nur bei Dosen ≥150 mg/Tag; neuere Analysen liefern häufig Nullbefunde. Resveratrol ist daher kein verlässliches Blutdruck-Supplement. Meta-Analyse Blutdruck.

Lipide

Zur Lipid-Modulation sind die Ergebnisse gemischt. Eine Umbrella-Analyse bis November 2023 zeigt kleine Reduktionen bei Triglyceriden und Gesamtcholesterin, LDL/HDL bleiben meist unverändert und die klinische Relevanz ist begrenzt. Umbrella-Metaanalyse Lipide.

Entzündung

Kleine, aber signifikante Abnahmen von CRP und TNF‑α sind über RCTs dokumentiert; IL‑6 bleibt oft unverändert. Meta-Analyse zu CRP/TNF‑α.

Arterielle Steifigkeit

Kleinere RCTs (z. B. CAVI bei Typ‑2‑Diabetes über 12 Wochen) zeigen Verbesserungen; das Feld braucht Replikation. CAVI-RCT.

Kardiales Remodeling

Einzelzentrums-RCTs berichten bei Hypertonie über günstige Echo-/Biomarker-Veränderungen unter 400 mg/Tag über 6 Monate – vorläufige Hinweise, keine harten Endpunkte. RCT zu kardialem Remodeling.

Funktionelle Endpunkte

Bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK) zeigten sich keine Verbesserungen der 6‑Minuten‑Gehstrecke oder der FMD. Erwartungsmanagement ist wichtig. RESTORE‑Trial bei PAVK.

Bottom Line: Es gibt keine großen Outcome-Studien zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder Mortalität. Die Vorteile von Resveratrol betreffen Surrogatmarker (Endothelfunktion, Entzündung); für harte Endpunkte ist die Evidenz bisher nicht ausreichend.

🔍 Kurz zusammengefasst

Resveratrol kann Gefäßfunktion und Entzündung leicht verbessern. Blutdruck/Lipide ändern sich, wenn überhaupt, nur gering. Es gibt noch keine Belege für weniger Herzinfarkte oder Schlaganfälle.

Wer könnte am meisten profitieren?

Am deutlichsten sind Signale bei Menschen mit Endothel-Dysfunktion und metabolischem Risiko – etwa Typ‑2‑Diabetes, chronischer Nierenerkrankung oder metabolischem Syndrom. In älteren Patientengruppen mit koronarer Herzkrankheit sind Effekte uneinheitlich. Wichtig: individuelle Variation, Wechselwirkungen und ärztliche Begleitung. RCT CKD + Diabetes.

Dosierungen in Studien – und was Sie realistisch erwarten können

Typische Studien setzen 75–500 mg/Tag trans-Resveratrol über 4–24 Wochen ein. Am ehesten reagieren FMD (Gefäßfunktion) und Entzündungsmarker; Blutdruck und Blutfette sind weniger konsistent. Erwarten Sie subtile Veränderungen über Monate, nicht in Tagen. Aus Sicherheits-Perspektive hat die EFSA die Einnahme von synthetischem trans-Resveratrol bis 150 mg/Tag für Erwachsene als unbedenklich bewertet; gastrointestinale Beschwerden traten eher bei ≥1 g/Tag auf. Das ist eine Sicherheitsreferenz, keine Therapiedosis. EFSA-Meinung zu Sicherheit/150 mg.

🔍 Kurz zusammengefasst

Studien arbeiten meist mit 75–500 mg/Tag und Laufzeiten über Wochen bis Monate. Erwarten Sie kleine, langsame Effekte – und prüfen Sie Sicherheit und Wechselwirkungen.

Bioverfügbarkeit: das große Thema (und warum es weniger dramatisch ist, als es klingt)

Orales Resveratrol wird gut aufgenommen, aber sehr schnell zu Glucuroniden und Sulfaten verstoffwechselt. Die Spiegel des Muttermoleküls im Blut sind niedrig – jedoch können Metaboliten selbst biologisch aktiv sein. Formulierungs-Kniffe wie Mikronisierung oder spezielle Dispersionssysteme erhöhen die Exposition; der Zusatz von Piperin zeigte in einer kleinen Humanstudie keinen eindeutigen, konsistenten PK-Vorteil und kann Interaktionen begünstigen. Klassische Human-PK: hohe Aufnahme, schnelle Metabolisierung; Mikronisierte Form (SRT501); Dispersions-Technologie: höhere Konjugat-Exposition; Piperin‑Pilotstudie.

🔍 Kurz zusammengefasst

Also wenn “Bioverfügbarkeit” niedrig klingt: Metaboliten wirken vermutlich mit. Spezielle Formulierungen können die Exposition steigern – Sicherheit geht vor “Stacking”.

Sicherheit, Wechselwirkungen und wer verzichten sollte

  • Verträglichkeit: Bei üblichen Supplementmengen meist gut; Magen-Darm-Beschwerden treten häufiger bei hohen Dosen (≥1 g/Tag) auf. EFSA-Sicherheitsbewertung.
  • Wechselwirkungen (CYP/Transporter): In vitro und in kleinen Humanstudien hemmt Resveratrol CYP2C9/3A4/2D6; 1 g/Tag über 4 Wochen veränderte die Metabolisierung von Probe­substanzen (u. a. Losartan). Vorsicht bei Warfarin und Arzneien mit enger therapeutischer Breite; antithrombotische Effekte sind in vitro beschrieben, das klinische Blutungsrisiko ist unklar. Absprechen, ggf. INR überwachen. Humanstudie zu CYP-Modulation.
  • Hormon-sensitive Erkrankungen: Resveratrol wirkt als Phytoöstrogen mit gemischten agonistisch/antagonistischen Effekten – onkologische Rücksprache vor der Einnahme. ERα/ERβ-Interaktion.
  • Schwangerschaft/Stillzeit: Mangels Daten wird abgeraten. In Deutschland gelten Resveratrol-Produkte als Nahrungsergänzung (LFGB/ NemV), nicht als Arznei; nationale Höchstmengen für botanische Stoffe sind nicht einheitlich geregelt. BfR: Einordnung Nahrungsergänzungsmittel.
  • Lehrstück zur Dosis/Toleranz: Eine hoch dosierte, mikronisierte Arzneiform (SRT501, 5 g/Tag) wurde 2010 in einer Myelom-Population wegen Verträglichkeits- und Nierensicherheits-Signalen eingestellt – nicht auf gesunde Anwender übertragbar, zeigt aber Grenzen sehr hoher Dosen. Bericht zum Entwicklungsstopp.
  • Weiterführend: Wenn Sie parallel Adaptogene nutzen, informieren Sie sich zu möglichen Nebenwirkungen von Rhodiola rosea.

Lebensmittel vs. Supplement – und warum Wein nicht die Lösung ist

Resveratrol steckt in Traubenschalen, Beeren, Erdnüssen – pro Portion aber in sehr kleinen Mengen. Sinnvoller als “Monosubstanzen zu jagen” ist eine mediterrane, polyphenolreiche Ernährung, die synergetisch wirkt. Alkohol ist dafür kein Vehikel: WHO und DGE betonen, dass keine Menge Alkohol sicher/gesund ist. Der “French Paradox” ist wissenschaftlich umstritten und durch zahlreiche Störfaktoren erklärbar. Analyse zu Gehaltsbereichen und Mythen; WHO; DGE-Position.

So wählen Sie ein gutes Resveratrol-Präparat (Deutschland-Guide)

  • Aufdruck “trans-Resveratrol” und standardisierte Menge pro Kapsel/Tablette.
  • Herkunft offenlegen (z. B. Polygonum cuspidatum/japanischer Staudenknöterich oder Trauben).
  • Lichtschutz (undurchsichtige Verpackung), Chargenprüfung durch Dritte (z. B. etablierte Labore/Programme).
  • Keine “Proprietary Blends” ohne mg-Angabe.
  • Der Markt ist heterogen; unabhängige Tests deuten mehrheitlich auf korrekte Gehalte, aber Ausreißer kommen vor. Branchenbericht zu Produktqualität.

Eine kuratierte Übersicht passender Produkte finden Sie in unserer Longevity-Kollektion.

Praktisches, sicheres “Trial-of-One” (nur in Absprache mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt)

  1. Vorab-Check: Liste Ihrer Medikamente (insbesondere Antikoagulanzien/Thrombozytenaggregationshemmer, Statine, CYP-Substrate) und Vorerkrankungen (Blutungsrisiko, hormon-sensitive Tumoren). Legen Sie Messgrößen fest (z. B. Heimmessung Blutdruck, vorhandene Laborwerte wie Lipide/Triglyceride, CRP).
  2. Start: 150–250 mg/Tag trans-Resveratrol mit einer Mahlzeit für 8–12 Wochen.
  3. Monitoring: Blutdruck 2–3×/Woche dokumentieren; optional Labor, wenn medizinisch ohnehin indiziert.
  4. Stop/Anpassen: Bei Nebenwirkungen, Medikamentenwechsel, vor Operationen.
  5. Re‑Assessment: Weitermachen nur, wenn ein messbarer, sicherer Nutzen zu Ihren Zielen passt. EFSA-Sicherheitskontext.

Wohin sich die Forschung bewegt

Es braucht größere, besser designte RCTs mit klinischen Endpunkten, optimierten Formulierungen und klarer Patienten-Stratifizierung (wer profitiert wirklich?). Bislang sind die robustesten Signale die Verbesserung der Endothelfunktion und geringe Anti-Entzündungs-Effekte. Meta-Analyse Endothelfunktion.

FAQ – schnelle Antworten

  • Kann Resveratrol Statine oder Blutdrucksenker ersetzen? Nein. Es ist maximal eine Ergänzung für bestimmte Marker. Setzen Sie Medikamente niemals ohne ärztliche Rücksprache ab. Quelle
  • Ist Pterostilben “besser”? Es hat präklinisch teils höhere Bioverfügbarkeit, doch menschliche kardiovaskuläre Outcome-Daten fehlen weitgehend. Es ist kein belegter Ersatz. Quelle
  • Beste Einnahmezeit? Mit einer Mahlzeit ist die Verträglichkeit meist besser. Kombinationen mit Piperin zuerst mit dem Arzt besprechen (Interaktionspotenzial, unklare Humanvorteile). Quelle
  • Wie schnell wirken Effekte? Wochen bis wenige Monate – und eher modest, nicht spektakulär. Quelle

Rechtlicher Hinweis

Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine medizinische Beratung. Sprechen Sie vor Beginn einer Nahrungsergänzung mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt – insbesondere bei Einnahme von Antikoagulanzien/Thrombozytenaggregationshemmern oder mehreren Medikamenten sowie bei hormon-sensitiven Erkrankungen.

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FAQ

Hilft Resveratrol meinem Herzen wirklich?

Am ehesten verbessert Resveratrol die Endothelfunktion und senkt geringe Entzündung. Blutdruck- und Lipid-Effekte sind klein und uneinheitlich. Es gibt keine Belege für weniger Herzinfarkte oder Schlaganfälle.

Welche Dosis ist sinnvoll?

Für einen sicheren, strukturierten Versuch empfehlen viele Expertinnen/Experten 150–250 mg/Tag trans-Resveratrol über 8–12 Wochen – nur in Absprache mit dem Arzt.

Kann ich statt Supplement einfach mehr Rotwein trinken?

Nein. Die Resveratrolmengen im Wein sind zu niedrig, und WHO/DGE raten: Es gibt keinen sicheren, gesundheitsförderlichen Alkoholkonsum.

Wann einnehmen – morgens, abends, nüchtern?

Praktisch mit einer Mahlzeit, um die Verträglichkeit zu verbessern. Kombinationen (z. B. mit Piperin) wegen Interaktionsrisiken vorher abklären.

Ist Resveratrol sicher, wenn ich Blutverdünner nehme?

Vorsicht: Resveratrol kann CYP-Enzyme beeinflussen. Bei Warfarin und anderen Arzneien mit enger therapeutischer Breite ist ärztliche Rücksprache Pflicht; ggf. INR-Monitoring.

Ist Pterostilben die bessere Wahl?

Die Bioverfügbarkeit könnte günstiger sein, aber für kardiovaskuläre Outcomes beim Menschen fehlen belastbare Daten. Es ist kein bewiesener Ersatz.

Wie wir diesen Artikel überprüft haben:

Quellen

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