Was ist Resveratrol? Vom Weinberg in die Kapsel
Leila WehrhahnAktualisiert:Kann ein Molekül aus Traubenschalen wirklich beim „Healthy Aging“ helfen – oder ist der Rotwein-Mythos nur ein Mythos? In diesem Leitfaden ordnen wir die Fakten ein: verständlich, EU‑konform, ohne Hype.
Quick Facts
- Was es ist: Resveratrol (vor allem trans‑Resveratrol) ist ein stilbenoider Polyphenol. (en.wikipedia.org)
- Herkunft: Traubenschalen, Beeren, Erdnüsse; in Nahrungsergänzungsmitteln oft aus Japanischem Staudenknöterich (Polygonum/Fallopia cuspidatum). (pmc.ncbi.nlm.nih.gov)
- Übliche Supplementform: trans‑Resveratrol als Reinsubstanz; teils „mikronisiert“ oder in speziellen Formulierungen. (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
- Evidenz‑Stärke: Labor > Tier > Mensch (gemischte, eher kleine Effekte). (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
- Sicherheit: In EU‑Gutachten als bis 150 mg/Tag (Erwachsene) unter vorgesehenen Bedingungen sicher bewertet; höhere Dosen erhöhen vor allem gastrointestinale Nebenwirkungen. (efsa.europa.eu)
- Rechtlicher Hinweis (DE/EU): Resveratrol ist ein Nahrungsergänzungsmittel; es gibt keine zugelassenen Gesundheitsclaims für „Langlebigkeit“ oder Krankheitsbehandlung. (food.ec.europa.eu)
Was genau ist Resveratrol?
Definition und Formen
Resveratrol ist ein polyphenolisches Stilben, das in zwei geometrischen Isomeren vorkommt (cis und trans). In Nahrungsergänzungsmitteln wird nahezu immer trans‑Resveratrol verwendet, da es die biologisch stabilere und besser untersuchte Form ist. (en.wikipedia.org)
Natürliche Quellen
Natürliche Vorkommen finden sich vor allem in Traubenschalen (daher mehr in Rot- als in Weißwein), Beeren und Erdnüssen. Rotwein enthält jedoch nur geringe Mengen – für supplement‑äquivalente Mengen wäre ein mit Gesundheitsrisiken unvereinbarer Alkoholkonsum nötig. (pmc.ncbi.nlm.nih.gov)
Vom Weinberg zur Kapsel
Für Resveratrol Kapseln werden Rohstoffe meist aus Traubenschalen oder aus Japanischem Staudenknöterich gewonnen. Hochwertige Produkte deklarieren den Gehalt an trans‑Resveratrol und die Reinheit (oft ≥98%). Bei Knotweed‑Extrakten ist Emodin (ein Anthrachinon) technologisch relevant; es kann in höheren Mengen abführend wirken – ein Grund für Reinheits- und Rückstandstests (z. B. Schwermetalle, PAH). (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
Resveratrol ist ein natürlicher Pflanzenstoff; in Kapseln steckt fast immer trans‑Resveratrol. Wein liefert zu wenig – Supplemente setzen auf gereinigte Extrakte mit Qualitätskontrollen.
Wie könnte Resveratrol wirken? (Mechanismen in Alltagssprache)
Zelluläre Signalwege
Im Labor beeinflusst Resveratrol mehrere „Energieschalter“ der Zelle, darunter AMPK, Sirtuin‑Signalwege und mitochondrialen Stoffwechsel. Die frühe Idee, Resveratrol aktiviere SIRT1 direkt, erwies sich jedoch weitgehend als Messartefakt bestimmter Testsysteme; wahrscheinlicher sind indirekte Effekte (u. a. über AMPK oder PDE‑Hemmung). (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
Antioxidans oder Hormesis?
Resveratrol wirkt weniger als „Radikalfänger“ im Blut, sondern eher als Auslöser körpereigener Abwehrprogramme (Hormesis). Dazu gehören anti‑inflammatorische Signale (z. B. NF‑κB‑Modulation) und eine Unterstützung der Endothelfunktion über Stickoxid‑Signalwege – Effekte, die in Humanstudien teils als verbesserte Gefäßreaktivität messbar sind. (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
Bioverfügbarkeit 101
Nach oraler Einnahme wird Resveratrol schnell verstoffwechselt (Glucuronidierung/Sulfatierung) – im Plasma zirkulieren vor allem konjugierte Metaboliten, freies Resveratrol bleibt niedrig. Spezielle Formulierungen (z. B. mikronisiert) erhöhen Spiegel, sind aber nicht eindeutig mit besseren klinischen Ergebnissen verknüpft. (mdpi.com)
Resveratrol triggert zelluläre Stress‑ und Energiesignale. Es wird rasch umgebaut – was die Erwartungen an spürbare Effekte relativieren sollte.
Was sagt die Human‑Evidenz?
Metabolische Gesundheit
Zu Insulinsensitivität, HbA1c oder NAFLD‑Markern zeigen RCTs und Meta‑Analysen ein gemischtes Bild: einzelne positive Studien, viele neutrale Ergebnisse; bei HbA1c sind kurzfristige, klinisch relevante Verbesserungen in einigen Auswertungen möglich, die Gesamt‑Evidenz bleibt jedoch niedrig bis moderat. (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
Kardiovaskuläre Marker
Mehrere Studien berichten eine Verbesserung der Endothelfunktion (Flow‑mediated Dilation). Blutdruck‑ und Lipid‑Effekte sind inkonsistent und meist klein; Grundlagenmaßnahmen (Ernährung, Bewegung, Gewicht) bleiben primär. (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
Gehirn und Alternsmarker
Kleine Studien zeigten eine verbesserte zerebrale Gefäßreaktivität und hippocampale Konnektivität sowie subtile Gedächtniseffekte – ein Nachweis für verlängerte Lebensspanne oder Healthspan beim Menschen existiert nicht. (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
Gewicht und Leistungsfähigkeit
Resveratrol ist kein „Fat‑Loss‑Booster“. In Kombination mit Training sind die Daten heterogen – in einer Studie bei älteren Männern wurden Trainingseffekte durch 250 mg/Tag sogar abgeschwächt. (sciencedirect.com)
Die menschliche Evidenz ist gemischt: Gefäßeffekte ja, große „Longevity‑Sprünge“ nein. Lebensstil bleibt die Basis.
Wein vs. Supplemente: Mythos und Realität
Rotwein enthält nur geringe Mengen Resveratrol (typischerweise im mg/L‑Bereich). Um eine Kapsel zu „ersetzen“, wären unrealistische Mengen Wein nötig – entgegen aktuellen Empfehlungen zu risikoarmem Alkoholkonsum in Deutschland. Nutzen von Wein sind multifaktoriell und werden zunehmend kritisch bewertet; Alkohol birgt ein eigenständiges Gesundheitsrisiko. (pmc.ncbi.nlm.nih.gov)
Weiterführend: DGE‑Positionspapier „Alkohol – am besten Null Promille“.
Dosierung, Timing und Kombinationen
Typische Bereiche
Im Alltag bewegen sich Verzehrempfehlungen seriöser Produkte meist zwischen 100–500 mg/Tag trans‑Resveratrol. Klinische Studien nutzten häufig 150–1000 mg/Tag; mit steigender Dosis nehmen Magen‑Darm‑Nebenwirkungen zu. Beachten Sie stets die Produktempfehlung. (pmc.ncbi.nlm.nih.gov)
Einnahme
Wenn Sie empfindlich reagieren, nehmen Sie Resveratrol zu einer Mahlzeit. „Perfektes Timing“ ist zweitrangig – wichtiger ist die regelmäßige Einnahme. Vorsicht bei Formulierungen mit Bioenhancern wie Piperin oder Kombinationen mit Quercetin: Sie können Arzneistoff‑Metabolismus (CYP3A4, P‑Glykoprotein, CYP2C9) beeinflussen. (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
„Stacks“ und Synergien
In Longevity‑Kreisen wird Resveratrol oft mit Quercetin oder NAD+‑Boostern kombiniert. Die Evidenz für Vorteile solcher Kombinationen ist vorläufig; interpretieren Sie entsprechende Aussagen zurückhaltend. (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
Sicherheit, Nebenwirkungen – und wer verzichten sollte
- Häufig: Magen‑Darm‑Beschwerden (v. a. bei höheren Dosen): Übelkeit, Bauchbeschwerden, Durchfall. (pmc.ncbi.nlm.nih.gov)
- Wechselwirkungen: Theoretisch Interaktionen über CYP‑Enzyme (u. a. CYP2C9) und Transporter; Vorsicht bei Antikoagulanzien/Thrombozytenhemmern und vor Operationen. (efsa.europa.eu)
- Spezielle Gruppen: Schwangerschaft/Stillzeit: mangelhafte Daten – nicht empfohlen. Hormonempfindliche Erkrankungen oder Lebererkrankungen: ärztlich abklären. (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
- DE/EU‑Hinweis: Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel. Maximalmengen können sich aus Sicherheitsbewertungen ergeben (EFSA‑Gutachten: bis 150 mg/Tag trans‑Resveratrol sicher unter den beantragten Bedingungen). Medikamenteneinnahme? Arzt/Apotheker konsultieren. (efsa.europa.eu)
Regulierung und Claims in Deutschland/EU (Compliance)
Resveratrol wird als Nahrungsergänzungsmittel verkauft. Es gelten die EU‑Vorgaben zu Nährwert‑ und Gesundheitsangaben. Für Resveratrol existieren keine zugelassenen spezifischen Gesundheitsclaims (z. B. „Langlebigkeit“). Sachliche Formulierungen wie „wird untersucht“ sind angezeigt; keine Krankheits‑ oder Heilversprechen. (food.ec.europa.eu)
Weiterführend: EU‑Register der Health Claims, BfR‑FAQ zu Nahrungsergänzungsmitteln.
So wählen Sie ein hochwertiges Resveratrol‑Supplement
- Form & Reinheit: Deklarierter trans‑Resveratrol‑Gehalt, vorzugsweise Reinheit ≥98%.
- Rohstoffquelle: Traubenschale vs. Staudenknöterich; bei Letzterem auf Emodin‑Kontrolle und gute GI‑Verträglichkeit achten.
- Rückstände & Kontaminanten: Prüfprotokolle zu Schwermetallen und ggf. PAK (Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe). (patents.google.com)
- Unabhängige Tests: Chargen‑/Drittanbieter‑Tests, GMP‑Herstellung, transparente Chargennummern.
- Label‑Transparenz: Dosis je Kapsel, Hilfsstoffe, Kapselanzahl; realistischer Tagespreis.
- Red Flags: „Proprietary Blends“ ohne Mengenangaben, überzogene Langlebigkeitsbehauptungen, intransparente Herkunft.
Eine kuratierte Übersicht passender Produkte finden Sie in unserer Longevity‑Kollektion.
Praktische Protokolle (Information, keine Medizinempfehlung)
- Konservativ: 100–150 mg/Tag, 8–12 Wochen, Verträglichkeit beobachten.
- Moderat: 250–300 mg/Tag bei guter Verträglichkeit; bei Medikation ärztlich abstimmen.
- Kein Hochdosis‑Selbstversuch: >500–1000 mg/Tag erhöhen Nebenwirkungen; Nutzen ungeklärt. (aacrjournals.org)
Expectation Management: Tracken Sie objektive Indikatoren (Blutdruck, Laborwerte), nicht nur das „Gefühl“.
Lebensstil zählt (viel) mehr
- Mediterrane, polyphenolreiche Kost
- Kraft‑ und Ausdauertraining
- Schlaf, Stressmanagement, Rauchstopp
Resveratrol kann – wenn überhaupt – nur ergänzen, nicht ersetzen. (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
FAQs
Ist Resveratrol eine „Langlebigkeits‑Pille“? Nein. Es gibt keinen Nachweis, dass Resveratrol die menschliche Lebensspanne verlängert. (nih.gov)
Bekomme ich genug über die Ernährung? Nicht in Supplement‑ähnlichen Mengen; Wein ist dafür ungeeignet. (pmc.ncbi.nlm.nih.gov)
trans vs. cis? Wählen Sie trans‑Resveratrol. (en.wikipedia.org)
Morgens oder abends? Regelmäßigkeit und Verträglichkeit sind wichtiger als die Uhrzeit.
Mit Kaffee/Grüntee? Meist kein Problem; bei empfindlichem Magen polyphenolarme Einnahmeumgebung wählen.
Wann merke ich etwas? Falls überhaupt, eher subtil über Wochen bis Monate; viele merken nichts.
Mit Blutverdünnern kombinieren? Nur nach ärztlicher Rücksprache (potenzielle Interaktionen). (efsa.europa.eu)
Bottom Line
Resveratrol ist wissenschaftlich interessant, mit moderaten, kontextabhängigen Effekten in Humanstudien. Wenn Sie supplementieren, achten Sie auf Qualität, realistische Dosierungen und Sicherheit – und behalten Sie im Blick: Lebensstilfaktoren tragen am meisten zur gesunden Lebensspanne bei. (pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
Sanfter Hinweis: Überlegen Sie Resveratrol? Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Apotheker – besonders bei Dauermedikation. Für rechtssichere Etiketten hilft unser Ratgeber EU‑Health‑Claims richtig lesen. Abonnieren Sie unseren Newsletter für monatliche Evidenz‑Updates zu Longevity‑Nährstoffen (deutsch).