Resveratrol auf dem Prüfstand: Wie sicher ist die Langzeiteinnahme wirklich?
Leila WehrhahnAktualisiert:Resveratrol und Langlebigkeit in Deutschland 2025: Sicherheit, Wechselwirkungen und kluge Anwendung
Viele gesundheitsbewusste Erwachsene in Deutschland setzen auf Resveratrol als „Longevity‑Baustein“. Doch was sagt die Evidenz zur langfristigen Sicherheit – und was gilt konkret in der EU? Dieser Leitfaden bündelt den aktuellen Forschungsstand und die EU‑Regeln, damit Sie Resveratrol umsichtig und eigenverantwortlich einsetzen können.
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TL;DR – Das Wichtigste in 6–8 Punkten
- Für gesunde Erwachsene gelten tägliche Mengen bis 150 mg Trans‑Resveratrol in Nahrungsergänzungsmitteln als sicher unter EU‑Regeln. Höhere Dauerdosen fehlen belastbare Langzeitdaten. EU‑Regelung 2017/2470 (Union List).
- Die besten „Langzeit“-Menschendaten reichen über 12–24 Monate; darüber hinaus ist die Evidenz dünn. Eine 24‑Monate‑Studie mit 150 mg/Tag zeigte gute Verträglichkeit. 24‑Monate‑RCT bei postmenopausalen Frauen.
- Sehr hohe Dosen (≥1–2 g/Tag) führen häufig zu Magen‑Darm‑Beschwerden; klinisch relevante Leberschäden sind selten, gelegentliche milde ALT/AST‑Anstiege v. a. bei ≥1.5–3 g/Tag beschrieben. Alzheimer‑Studie (bis 2 g/Tag); LiverTox‑Monografie.
- Wechselwirkungen sind das Hauptthema: Resveratrol hemmt die Thrombozytenaggregation und Cytochrom‑P450/UGT‑Enzyme – Vorsicht mit Antikoagulanzien (z. B. Warfarin) und anderen CYP‑Substraten. Plättchenhemmung; CYP/UGT‑Daten; EFSA‑Bewertung.
- Schwangerschaft/Stillzeit: mangels Daten meiden. LactMed‑Eintrag.
- Rotwein ist keine geeignete „Dosisquelle“ – die Gehalte liegen meist bei wenigen mg/L, deutlich unter Supplementmengen. Übersicht zu Resveratrol in Lebensmitteln und Wein.
Resveratrol 101: Stoff, Formen und typische Dosierungen
Resveratrol ist ein pflanzliches Polyphenol aus der Gruppe der Stilbene. In Nahrungsergänzungsmitteln liegt überwiegend die trans‑Form vor. Nach oraler Aufnahme wird es rasch metabolisiert (z. B. zu Sulfaten und Glucuroniden), was die Bioverfügbarkeit im Blut begrenzt. Im Alltag liefern Obst, Nüsse und – in geringen Mengen – Wein meist nur Mikro‑ bis wenige Milligramm pro Tag; Nahrungsergänzungen liefern hingegen typischerweise 75–150 mg pro Tag. Rotwein enthält je nach Sorte und Ausbau oft nur grob 2–7 mg/L; um 100–150 mg zu erreichen, wären unrealistische Mengen nötig, zudem überwiegen Alkoholrisiken. Aktuelle Übersicht zu Lebensmittel‑Gehalten; Fachsteckbrief zur Bioverfügbarkeit. Ausführliche Hintergründe zum Vergleich von Resveratrol aus Wein versus Nahrungsergänzungsmitteln finden Sie in diesem Beitrag.
Resveratrol aus Lebensmitteln ist gering dosiert; Supplemente liefern deutlich höhere, definierte Mengen. Wein taugt nicht zur „Dosierung“ und bringt Alkoholrisiken mit sich.
Rechtliche Einordnung in EU/Deutschland (Stand: 2025)
Trans‑Resveratrol ist in der EU als neuartiges Lebensmittel für Nahrungsergänzungsmittel bei Erwachsenen bis 150 mg/Tag zugelassen. Die Kennzeichnung muss den Hinweis tragen, dass Personen, die Arzneimittel einnehmen, Resveratrol nur unter ärztlicher Aufsicht verwenden sollten. Für Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland bedeutet das: Produkte mit Trans‑Resveratrol sind legal erhältlich, aber die Obergrenze und der Warnhinweis sind verpflichtend. Zugelassene spezifische EU‑Health‑Claims für Resveratrol gibt es nicht. Quelle: EU‑Union‑Liste neuartiger Lebensmittel; EFSA‑Sicherheitsbewertung.
EU‑weit sind bis 150 mg/Tag in Supplementen erlaubt – mit Pflicht‑Hinweis für Menschen, die Medikamente nehmen. Höhere Dauerdosen liegen außerhalb der Zulassung.
Was zeigen Langzeit‑Humanstudien zur Sicherheit?
24‑Monate‑Studie (75 mg zweimal täglich): In einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Crossover‑Studie mit postmenopausalen Frauen war Resveratrol über zwei Jahre insgesamt gut verträglich; es zeigten sich positive Signale auf Gefäß‑ und kognitive Marker. Relevanz: Diese Daten stützen Sicherheit und Verträglichkeit von täglich 150 mg bei älteren, sonst gesunden Frauen über 24 Monate. Studie in Clinical Nutrition.
52‑Wochen‑Alzheimer‑Studie (bis 1.000 mg zweimal täglich): In dieser Phase‑2‑Studie galt hochdosiertes Resveratrol als „sicher und verträglich“, allerdings traten Magen‑Darm‑Beschwerden (v. a. Übelkeit, Diarrhö) und Gewichtsverlust häufiger auf – ein Hinweis, dass Verträglichkeit mit steigender Dosis abnimmt. Neurology‑Publikation.
Leber‑Sicherheit (LiverTox): Die evidenzbasierte Leberdatenbank berichtet über seltene klinisch manifeste Leberschäden; milde Erhöhungen von Leberenzymen sind vor allem bei sehr hohen Dosen (≥1.5–3 g/Tag) beschrieben. LiverTox‑Monografie zu Resveratrol.
Wissenslücken: Es bestehen kaum Daten über mehr als 24 Monate hinaus und nur begrenzte Evidenz für multimorbide, polymedizierte ältere Menschen – gerade in dieser häufigen Zielgruppe sollten Nutzen‑Risiko‑Abwägungen und ärztliche Begleitung besonders sorgfältig sein.
Bis 150 mg/Tag über 24 Monate: gute Verträglichkeit. Bei deutlich höheren Dosen steigen Magen‑Darm‑Beschwerden; relevante Leberschäden sind selten.
Die wichtigsten Sicherheits‑„Watch‑outs“ (praktisch und umsetzbar)
1) Blutungsrisiko und Thrombozytenhemmung
Resveratrol kann die Plättchenaggregation hemmen. Das ist mechanistisch gut belegt und wurde ex vivo am Menschen gezeigt. Das Memorial Sloan Kettering Cancer Center rät zur Vorsicht bei Antikoagulanzien/Thrombozytenhemmern und vor Operationen. Praxis: Wenn Sie Warfarin, DOAKs, ASS oder Clopidogrel einnehmen, nur unter ärztlicher Aufsicht starten; vor geplanten Eingriffen rechtzeitig ärztlich Rücksprache halten. Plättchen‑Studie; MSKCC‑Steckbrief.
2) Arzneimittel‑Interaktionen (CYP/UGT, Transporter)
Resveratrol (und sein Sulfat‑Metabolit) können CYP‑Isoenzyme (z. B. 1A2, 2C9, 2C19, 3A4) und UGT1A1 hemmen bzw. modulieren. EFSA weist besonders auf potenzielle Interaktionen über CYP2C9 hin. In einer Humanstudie mit 1 g/Tag über 4 Wochen kam es zu Hemmung von CYP3A4, 2C9, 2D6 und Induktion von 1A2. Ein kleines Carbamazepin‑Interaktions‑Studie zeigte erhöhte Carbamazepin‑Spiegel nach Resveratrol‑Vorbehandlung (Hinweis auf CYP3A4‑Hemmung). Konsequenz: Arzneimittelliste mit Arzt/Apotheke durchgehen – besonders bei Warfarin, bestimmten Antidepressiva, Antiepileptika, Immunsuppressiva, Antiarrhythmika, einigen Statinen. CYP/UGT‑Review; EFSA‑Stellungnahme; Human‑Enzymstudie (1 g/Tag); Carbamazepin‑Interaktion.
3) Magen‑Darm‑Nebenwirkungen
Übelkeit, Bauchbeschwerden und Diarrhö treten v. a. über etwa 1 g/Tag häufiger auf. Praktischer Tipp: Innerhalb der EU‑zugelassenen 150 mg/Tag bleiben, sofern nicht ärztlich anders angeordnet; zur Einnahme mit einer kleinen Mahlzeit. Hochdosis‑Alzheimer‑Studie; Wiederholte Hochdosen in Gesunden.
4) Besondere Gruppen
- Schwangerschaft/Stillzeit: mangels Human‑Sicherheitsdaten vermeiden; Tier‑ und Primatendaten mahnen zur Vorsicht. LactMed; Primaten‑Studie mit Warnsignal.
- Hormon‑sensitive Tumoren: wegen phytoöstrogener Aktivität vorsichtig sein; ärztlich abklären. Review zur estrogenen Aktivität.
- Leberkrankheiten: bei hohen Dosen Leberenzyme mit dem Arzt überwachen. LiverTox.
- Geplante Operationen: Resveratrol ggf. in Absprache pausieren (Blutungsrisiko). MSKCC‑Hinweise.
5) Extreme Dosen in Krankheitsstudien: kein Maßstab für Gesunde
In speziellen onkologischen Szenarien wurden mikronisierte Hochdosen (z. B. 5 g/Tag) getestet. Bei mehrfach vorbehandeltem Myelom kam es in einer Phase‑2‑Studie unter SRT501 zu Verträglichkeitsproblemen; in einer vulnerablen Patientengruppe traten Nierenkomplikationen auf, was letztlich zur Studienbeendigung beitrug. Das ist nicht auf gesunde Anwender übertragbar, erinnert aber daran: Mehr ist nicht sicherer. BJH‑Korrespondenz zu SRT501.
Prüfen Sie Medikamente und OP‑Termine, bleiben Sie bei vernünftigen Dosierungen, und achten Sie auf Magen‑Darm‑Signale. Hochdosis‑Studien in Kranken sind kein Vorbild für Gesunde.
Longevity‑Kontext: Rechtfertigt die Evidenz den Langzeitgebrauch?
Tier‑ und Humandaten zu Langlebigkeit sind gemischt. Bei Mäusen verbesserte Resveratrol unter Normalernährung Gesundheitsmarker, ohne die Lebensspanne zu verlängern; auf Hochkalorik schützte es vor Stoffwechsel‑ und Gefäßschäden und verbesserte das Überleben. Beim Menschen gibt es keine Daten zur Lebensverlängerung. Studie: Gesundheitseffekte ohne Lebensverlängerung; NIH‑Zusammenfassung.
Beobachtungsdaten bei älteren Erwachsenen zeigen, dass diätetisch erreichbare Resveratrolspiegel (ohne Supplemente) nicht mit weniger Entzündung, kardiovaskulären Ereignissen, Krebs oder geringerer Gesamtmortalität assoziiert waren. InCHIANTI‑Kohorte (JAMA Intern Med).
Bottom line: Resveratrol ist ein potenziell unterstützendes Molekül für ausgewählte Gesundheitsmarker – kein bewiesenes „Lebensverlängerungs‑Mittel“.
Resveratrol kann bestimmte Marker verbessern, verlängert aber beim Menschen nach jetzigem Stand nicht die Lebensspanne. Sehen Sie es als Baustein, nicht als Wundermittel.
So nutzen Sie Resveratrol in Deutschland sicher (wenn Sie sich dafür entscheiden)
Wer könnte es erwägen?
Gesundheitsbewusste Erwachsene ohne komplexe Polypharmazie. Bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme immer vorab ärztlich/Apotheke beraten lassen (Interaktionscheck).
Dosis und Dauer
- Einstieg: 75–150 mg/Tag Trans‑Resveratrol.
- Re‑Evaluation: nach 8–12 Wochen Nutzen/Verträglichkeit prüfen; idealerweise Blutdruck, ggf. Laborwerte (z. B. Leberenzyme) dokumentieren.
- Langfristig: Daten bis 24 Monate zu 150 mg/Tag sprechen für gute Verträglichkeit; aufgrund limitierter >2‑Jahres‑Evidenz sind periodische Pausen und Überprüfungen sinnvoll. 24‑Monate‑Studie.
Qualitäts‑Checkliste fürs Produkt
- Trans‑Resveratrol mit standardisiertem Gehalt; ideal: Drittanbieter‑Tests (z. B. USP, NSF, Informed Choice).
- EU‑konforme Kennzeichnung inkl. Pflicht‑Warnhinweis für Personen unter Medikation.
- Transparente Herkunft (Japanischer Staudenknöterich vs. synthetisch vs. mikrobiell). EU‑Union‑Liste.
Interaktions‑Sicherheitsschritte
- Bei Antikoagulanzien/Thrombozytenhemmern, Antiarrhythmika, Antiepileptika, Immunsuppressiva oder engem therapeutischem Fenster vorab ärztlich abklären; ggf. INR/Spiegelkontrollen. MSKCC‑Hinweise.
Stop‑Kriterien & Monitoring
- Sofort stoppen und ärztlich abklären bei: anhaltender Magen‑Darm‑Unruhe, unerklärlichen Blutergüssen/Blutungen, Schwindel, auffälligen Laborwerten.
- Vor geplanten Eingriffen nach ärztlicher Rücksprache ggf. pausieren (Plättchenhemmung). MSKCC‑Steckbrief.
Lebensstil‑Kontext
Resveratrol kann Begleiter eines Mediterran geprägten Lebensstils sein: ausgewogene Kost, Bewegung, Schlafqualität, Rauchstopp, Stressreduktion. Und nochmals: Kein „Wein‑Dosing“ – die Gehalte sind zu gering, Alkoholrisiken überwiegen. Daten zu Lebensmittel‑Gehalten.
Quick‑FAQs
Ist tägliches Resveratrol über Jahre sicher?
Wir haben belastbare Daten bis 24 Monate bei 150 mg/Tag; darüber ist die Evidenz limitiert. Periodisch mit Arzt/Apotheke Rücksprache halten. 24‑Monate‑Daten.
Bekomme ich genug über Rotwein?
Nein. Typische Rotweine enthalten nur wenige mg/L; supplementartige Mengen wären nur mit unvertretbaren Alkoholmengen erreichbar. Gehaltsübersicht.
„Verdünnt“ Resveratrol das Blut?
Es kann die Plättchenaggregation hemmen. Deshalb Vorsicht bei Blutverdünnern und vor OPs. Plättchen‑Studie.
Schadet Resveratrol der Leber?
Schwere Leberschäden sind selten; leichte Enzymanstiege treten vor allem bei sehr hohen Dosen auf. LiverTox.
In Schwangerschaft/Stillzeit?
Meiden – es fehlen Sicherheitsdaten, und Präklinik mahnt zur Vorsicht. LactMed.
Für Science‑Fans: Mechanismen und Mythen in Kürze
Resveratrols Effekte gehen über SIRT1 hinaus. Arbeiten der NIH deuten darauf hin, dass die Hemmung von Phosphodiesterasen (PDE) ein zentraler Pfad ist; dadurch werden u. a. AMPK und Sirtuine indirekt beeinflusst. Übersetzung in gesicherte menschliche Langlebigkeit steht aus. NIH‑Pressemitteilung.
Resveratrol wirkt über mehrere Pfade (u. a. PDE‑Hemmung). Das macht es spannend – aber nicht automatisch zum Lebensverlängerer.