Quercetin und Herz-Kreislauf-Gesundheit: Was die Forschung über Blutdruck und Durchblutung zeigt
Leila WehrhahnAktualisiert:Was ist Quercetin?
Quercetin gehört zur Gruppe der Flavonole. In Lebensmitteln liegt es häufig als Glycosid vor (z. B. Quercetin‑3‑Glucosid); Rutin ist Quercetin mit einer Rutinosid‑Gruppe. Der Gehalt variiert stark zwischen Lebensmitteln: Besonders reich sind Zwiebeln (vor allem die äußeren Schichten), Kapern, einige Kräuter sowie Tee und Äpfel. Konkrete Orientierungswerte pro 100 g finden sich in der USDA‑Flavonoid‑Datenbank. Schälen und Zubereitung beeinflussen den Gehalt – wer Zwiebeln stark „über‑schält“, entfernt überproportional Quercetin.
Quercetin ist ein Pflanzenfarbstoff aus der Flavonol‑Familie. Besonders viel steckt in äußeren Zwiebelschichten, Kapern und Tee; beim Schälen und Kochen gehen Anteile verloren.
Zur Bioverfügbarkeit: Freies Quercetin (Aglycon) wird schlechter aufgenommen als manche Glycoside. Neue Formulierungen wie Quercetin‑Phytosom (Lecithin), selbstemulgierende Systeme auf Basis von Bockshornklee‑Galaktomannanen oder γ‑Cyclodextrin‑Komplexe erhöhen in Studien am Menschen die gemessenen Plasmaspiegel zum Teil deutlich. Eine bessere Blutspiegel‑Erreichung bedeutet jedoch nicht automatisch stärkere klinische Effekte. Aktueller Review zur Bioverfügbarkeit.
Manche Quercetin‑Formen werden besser aufgenommen (z. B. Phytosom, selbstemulgierende Systeme), aber höhere Blutspiegel garantieren keine stärkeren Wirkungen.
Wie könnte Quercetin Blutdruck und Durchblutung beeinflussen? (kurz erklärt)
Im Labor und in Tiermodellen wurden antioxidative und entzündungsmodulierende Effekte beschrieben, ebenso eine verbesserte Verfügbarkeit von Stickstoffmonoxid (NO) im Endothel. Es gibt Hinweise auf Interaktionen mit dem Renin‑Angiotensin‑System (ACE/ACE2) in vitro; Befunde sind jedoch nicht konsistent und lassen keine therapeutischen Aussagen für den Menschen zu. Zusätzlich werden Effekte auf oxidiertes LDL sowie milde, kurzfristige Änderungen der Plättchenfunktion diskutiert. Endothelfunktion‑Studie mit Quercetin‑3‑Glucosid; ACE‑Hypothese (Tier/akut); keine ACE‑Hemmung in vivo (Tier/chronisch).
Mechanistisch gibt es plausible Ansatzpunkte (Antioxidation, NO, Lipidoxidation). Beim Menschen sind diese Effekte bisher nur begrenzt oder uneinheitlich belegt.
Was sagen Studien am Menschen?
Blutdruck
Die bislang robusteste Auswertung ist eine Metaanalyse von randomisierten, placebokontrollierten Studien (7 Studien, 9 Arme, n≈587): Quercetin senkte den systolischen Blutdruck im Mittel um etwa 3 mmHg und den diastolischen um etwa 2–3 mmHg. Ein klarerer Effekt zeigte sich bei Dosierungen ≥500 mg/Tag und bei Studiendauern ≥8 Wochen. Ergebnisse der JAHA‑Metaanalyse.
In einer Metaanalyse mit Personen mit metabolischem Syndrom und verwandten Störungen zeigte sich ein kleiner, signifikanter Effekt auf den systolischen Blutdruck; der diastolische Blutdruck und Adhäsionsmoleküle veränderten sich nicht konsistent. Das stützt die Einordnung „modester Nutzen, besonders bei erhöhtem Ausgangsblutdruck“. Details zur Metaanalyse in MetS.
Ein Beispiel aus Deutschland: In einer randomisierten Cross‑over‑Studie mit übergewichtigen Erwachsenen senkten 150 mg/Tag Quercetin den systolischen Blutdruck um rund 2–3 mmHg; oxidiertes LDL nahm ebenfalls ab. Studie von Egert et al., 2009.
Quercetin kann den Blutdruck im Mittel leicht senken (Größenordnung wenige mmHg). Der Effekt ist eher bei höheren Dosierungen und erhöhtem Ausgangsblutdruck zu erwarten.
Endothelfunktion und Zirkulation
Die Daten zur flussvermittelten Dilatation (FMD) sind begrenzt und gemischt. In einer vierwöchigen Studie mit Quercetin‑3‑Glucosid fand sich keine klare Verbesserung der FMD gegenüber Placebo; insgesamt sind die Effekte hier weniger konsistent als beim systolischen Blutdruck. Zu arterieller Steifigkeit (z. B. Pulswellengeschwindigkeit) liegen nur wenige Daten speziell zu Quercetin vor. Studie zu FMD und Quercetin‑3‑Glucosid.
Wer profitiert am ehesten?
Studien deuten auf stärkere Effekte bei Personen mit erhöhtem Ausgangsblutdruck, bei Dosierungen ≥500 mg/Tag und bei Einnahme über mindestens 8 Wochen. Explorativ könnten genetische Faktoren oder der cardiometabolische Status den Ansprecheffekt modifizieren; diese Hinweise sind jedoch noch nicht praxisreif. Dosis‑/Dauer‑Signal.
Food‑First‑Strategie für Leserinnen und Leser in Deutschland
- Zwiebeln: Rot‑ oder Gelbzwiebeln roh oder schonend gegart verwenden; möglichst nur dünn schälen, um die äußeren Schichten zu erhalten. Ideen: Tomaten‑Zwiebel‑Salat mit Raps‑/Olivenöl, Vollkornbrot mit Quark und Zwiebel‑Relish, Linsensuppe mit Zwiebelwürfeln. Hinweise zum Einfluss von Lagerung/Schalen.
- Kapern (abgespült, bei Bedarf entsalzt): 2–3× pro Woche als Topping für Fisch, Salate oder „deutsch‑mediterrane“ Bowls. Fermentation/Brine verändert Phenolprofile – je nach Verfahren bleiben Gehalte stabil oder sinken, einzelne Verbindungen können ins Einlegewasser übergehen; insgesamt bleiben Kapern aber eine sehr gute Phenolquelle. Studie zur Biozugänglichkeit in Kapern; Analyse verschiedener Konservierungen.
- Äpfel mit Schale, grüner/schwarzer Tee und Kräuter (z. B. Dill, Liebstöckel) als sekundäre Quellen – mengenmäßig variabel über die Woche. Quercetin‑Gehalte sind in der USDA‑Flavonoid‑Datenbank dokumentiert.
Setze auf „regelmäßige kleine Portionen“: Zwiebeln, Kapern, Äpfel mit Schale und Tee liefern alltagstauglich Quercetin. Verarbeitung und Schälen beeinflussen die Gehalte.
Ergänzung in Betracht ziehen? Ein vorsichtiger, schrittweiser Fahrplan
Wann überhaupt? Erst nach Umsetzung einer Food‑First‑Strategie und wenn Blutdruckwerte trotz Lebensstilmaßnahmen im hohen Normal‑ bis erhöhten Bereich bleiben – immer nach Rücksprache mit Ärztin/Arzt. Quercetin ergänzt, ersetzt aber keine Therapie.
Formen & Bioverfügbarkeit: Quercetin‑Dihydrat ist der Standard. Formulierungen mit Lecithin (Phytosom), selbstemulgierende Systeme (z. B. mit Galaktomannanen aus Bockshornklee) oder γ‑Cyclodextrin‑Komplexe zeigen in Humanstudien höhere Plasmaspiegel; klinische Vorteile sind jedoch nicht automatisch gegeben. Vergleich verschiedener Formulierungen.
Dosierung in Studien: Typischer Bereich 150–1.000 mg/Tag. Ein konservativer Start: 250–500 mg/Tag zu einer Hauptmahlzeit für 8–12 Wochen, anschließend Blutdruck neu bewerten. Ohne ärztliche Freigabe nicht über 1.000 mg/Tag gehen. Dosis‑Signale aus Metaanalysen.
Kombis/„Stacking“: Häufig mit Vitamin C oder Bromelain kombiniert; ein Zusatznutzen für Blutdruck ist bisher nicht gesichert – optional.
Qualitäts‑Check in Deutschland: Achte auf transparente Kennzeichnung der Form (z. B. „Quercetin‑Phytosom“), Chargen‑Zertifikate auf Anfrage, unabhängige Prüfzeichen (z. B. internationale Programme wie USP/NSF/INFORMED CHOICE), klare Dosierung und seriöse Anbieter.
Wenn Ergänzung, dann klein anfangen (250–500 mg/Tag), mit Mahlzeit einnehmen, Blutdruck nach 8–12 Wochen prüfen – und Qualität, Interaktionen und ärztliche Begleitung beachten.
Sicherheit, Wechselwirkungen – und wer verzichten sollte
Allgemein: Orale Dosierungen bis etwa 1 g/Tag über bis zu 12 Wochen wurden in Studien meist gut vertragen. Häufigste leichte Nebenwirkungen: Kopfschmerz, Magen‑Darm‑Beschwerden. Langzeitdaten zu hohen Dosierungen fehlen. Sicherheitsprofil.
Wechselwirkungen (wichtig bei Medikation): Quercetin und seine Metabolite können Transporter wie OATP1B1/1B3/2B1 und BCRP hemmen sowie Enzyme (u. a. CYP3A4/2C19) beeinflussen. In Humanstudien wurden veränderte Wirkstoffspiegel u. a. bei Fexofenadin und Talinolol beobachtet. Praktisch heißt das: Quercetin 3–4 Stunden zeitversetzt zu kritischen Medikamenten einnehmen und Rücksprache mit Arzt/Apotheke halten – insbesondere bei Statinen, bestimmten Antihistaminika, einigen Antibiotika und Arzneien mit enger therapeutischer Breite. Übersichtsarbeit zu Transportern/Enzymen; Fexofenadin‑Interaktion; Talinolol‑Interaktion.
Blutdruckmedikamente: Da Quercetin den Blutdruck leicht senken kann, sind additive Effekte möglich. Empfohlen: regelmäßiges Heimmessen und Werte mit der behandelnden Praxis besprechen. Evidenzbasis.
Besondere Gruppen: In Schwangerschaft/Stillzeit sowie bei Nierenerkrankungen vorsichtig sein bzw. meiden, sofern nicht medizinisch ausdrücklich befürwortet. Bei Krebstherapie immer mit dem Onkologie‑Team abstimmen. Hinweise zu besonderen Personengruppen.
Abbruch‑/Stop‑Regeln: Neue Schwindelgefühle, symptomatisch niedrige Werte (z. B. <100/60 mmHg), ungewohnte Blutergüsse/Blutungen oder Verdacht auf Interaktionen – Einnahme stoppen und ärztlichen Rat einholen.
Quercetin gilt kurzzeitig bis 1 g/Tag meist als gut verträglich. Wichtig sind Abstände zu Medikamenten, engmaschiges Blutdruck‑Monitoring und ärztliche Begleitung bei Vorerkrankungen.
Ein praktischer 8–12‑Wochen‑Plan
Wochen 1–4: Food‑First
- Täglich ½–1 kleine Zwiebel einplanen (äußere Schichten größtenteils mitverwenden).
- 1–2 Portionen Apfel mit Schale pro Tag, täglich Tee aufbrühen.
- Kapern 2–3×/Woche als Garnitur nutzen.
- Heim‑Blutdruck‑Monitoring: 3×/Woche morgens/abends im Sitzen, jeweils 2 Messungen; Durchschnitt notieren.
Wochen 5–12: Optionaler Zusatz
- Nach ärztlicher Freigabe: 250–500 mg Quercetin/Tag mit der Hauptmahlzeit testen.
- Ernährung/Bewegung fortführen, Blutdruck‑Protokoll weiterführen; Auswertung nach 8 und 12 Wochen.
- Bei Einnahme von Blutdruckmedikamenten Protokoll teilen und mögliche Dosisanpassungen nur ärztlich vornehmen lassen.
- Ohne messbare Veränderungen und ohne anderen Anlass (z. B. saisonale Allergien) Absetzen in Erwägung ziehen.
FAQs (kurz)
- Kann Quercetin Antihypertensiva oder Statine ersetzen? Nein. Es ist ein ergänzender Baustein mit kleinen Effekten; Therapieentscheidungen gehören in ärztliche Hände. Überblick zur Wirkung.
- Wie schnell merke ich etwas? Studien dauern meist 4–12 Wochen; Veränderungen sind klein und nicht garantiert. Studienlaufzeiten.
- Wann einnehmen? Bevorzugt zu einer Mahlzeit mit etwas Fett, um die Aufnahme zu unterstützen; Abstand von 3–4 Stunden zu empfindlichen Medikamenten erwägen. Hinweise zur Bioverfügbarkeit.
- Roh vs. gekocht – und wieviel schälen? Leichtes Garen ist unproblematisch; starkes Über‑Schälen reduziert Quercetin, da viel in den äußeren Schichten sitzt. Zwiebel‑Daten.
- Mehr zu Allergie/Erkältung? Hintergrundartikel: Quercetin – Allergie, Erkältungsschutz, Virusabwehr.
Fazit
Für ein langes, vitales Leben ist Quercetin ein sinnvoller „Food‑First“‑Baustein aus alltäglichen Lebensmitteln. Die Studienlage zeigt kleine, belastbare Effekte auf den systolischen Blutdruck bei manchen Personen, während Effekte auf Endothelfunktion und arterielle Steifigkeit unsicherer sind. Wer zusätzlich ein Supplement testen möchte, sollte dies vorsichtig, qualitativ hochwertig und abgestimmt mit Arzt/Apotheke tun – mit realistischen Erwartungen und eingebettet in einen gesunden Lebensstil. Evidenzüberblick. Weitere Inspiration und Produkte rund um Langlebigkeit finden Sie in unserer Longevity‑Kollektion.
Medizinischer Hinweis: Dieser Artikel dient der Information und ersetzt keine persönliche Beratung, Diagnose oder Behandlung. Ändern Sie Medikamente oder Dosierungen niemals ohne Rücksprache mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt. Für Fragen zu Wechselwirkungen steht Ihre Apotheke beratend zur Seite.