Quercetin: Natürliches Flavonoid für Allergielinderung, Erkältungsschutz und Virusabwehr
Leila WehrhahnAktualisiert:Allergiesaison trifft Erkältungswelle: In Deutschland beginnt im Frühling das große Niesen, im Herbst/Winter wirbelt der nächste Virusmix durch Büros, Schulen und Kitas. Viele möchten Symptome lindern und Krankentage verkürzen – am liebsten mit einem Ansatz, der Ernährung, Lebensstil und gezielte Ergänzungen sinnvoll kombiniert. Quercetin – ein gelbliches Pflanzenpigment aus Zwiebeln, Äpfeln und Tee – rückt dabei immer öfter in den Fokus. Die Erwartungen sollten dennoch realistisch bleiben: Quercetin kann unterstützen, aber es ist kein Wundermittel. Und wichtig: In der EU sind für Quercetin derzeit keine gesundheitsbezogenen Angaben (Health Claims) zugelassen. Quelle: EFSA.
Quercetin kann Symptome bei Heuschnupfen lindern und in Stressphasen (z. B. nach intensiver Belastung) Infekte reduzieren. Für allgemeine Erkältungsprävention ist die Evidenz gemischt; zugelassene EU-Health-Claims gibt es nicht.
Was ist Quercetin – und wo steckt es drin?
Quercetin gehört zur Gruppe der Flavonole. Es liegt in Lebensmitteln überwiegend als sogenannte Glycoside vor und ist besonders reichlich in roten/gelben Zwiebeln, Kapern, Grünkohl, Beeren, Tee und (mit Schale verzehrten) Äpfeln enthalten. Eine „Food-first“-Strategie ist daher immer der erste Schritt. Gute Übersichten zu Gehalten und Untergruppen liefern das USDA-Flavonoid-Portal sowie aktuelle Übersichtsarbeiten.
Einkaufs- und Küchen-Ideen: Jede Woche Zwiebeln großzügig einplanen (Suppen, Pfannen, Salate), Kapern in mediterrane Gerichte integrieren, Tee trinken, Beeren und Äpfel (mit Schale) snacken. Saisonale Obst- und Gemüsevielfalt erhöht die Polyphenol-Bandbreite insgesamt.
Wie könnte Quercetin das Immunsystem unterstützen? (einfach erklärt)
- Anti-allergisch: In Zellmodellen stabilisiert Quercetin Mastzellen und dämpft entzündungsfördernde Botenstoffe (z. B. TNF‑α, IL‑6). Weniger Mastzellaktivität bedeutet potenziell weniger Histaminfreisetzung. Quelle.
- Antiviral/antiinflammatorisch: In präklinischen Untersuchungen zeigt Quercetin antivirale Effekte und wirkt immunmodulierend. Zudem kann es als „Zink‑Ionophor“ fungieren – es erleichtert Zink das Eindringen in Zellen, was bestimmte antivirale Enzyme unterstützen könnte. Das sind mechanistische Befunde, keine automatische Wirksamkeitsgarantie beim Menschen. Quelle.
Laborstudien zeigen schlüssige Mechanismen (Mastzellberuhigung, Immunmodulation, Zink-Transport). Ob daraus spürbare Effekte beim Menschen entstehen, hängt von Dosis, Form und Situation ab.
Evidenz bei Allergien (Rhinitis/Heuschnupfen)
Randomisierte Studie mit bioverfügbarem Quercetin: In einer doppelblinden RCT mit Erwachsenen mit Pollinose verbesserte eine Quercetin-Phytosom-Formulierung (200 mg/Tag, 4 Wochen) mehrere JRQLQ-Teilskalen (u. a. Augenjucken, Niesen, Nasenfluss, Schlaf) gegenüber Placebo. Quelle.
Systematischer Überblick 2025: Eine Meta-Analyse zu Polyphenolen (u. a. Quercetin) bei allergischer Rhinitis zeigte signifikante Symptomverbesserungen – die Qualität war heterogen, nicht alle Studien untersuchten Quercetin als Monosubstanz. Aussage: vielversprechend, aber vorsichtig interpretieren. Quelle.
Einordnung für Leserinnen und Leser: Für symptomatische Linderung bei Heuschnupfen gibt es prominente Hinweise – besonders mit besser verfügbaren Formen. Quercetin ersetzt jedoch keine leitlinienbasierten Therapien (z. B. Allergenvermeidung, Nasensprays, Antihistaminika, ggf. spezifische Immuntherapie).
Aktionsbox: „Heuschnupfen-Plan“
- 2–4 Wochen vor der Pollenzeit starten: 200–500 mg/Tag eines besser verfügbaren Quercetin-Präparats (z. B. Phytosom, Isoquercitrin) zu Mahlzeiten mit etwas Fett, über 4–8 Wochen. Quelle.
- Nasenhygiene (Salzspülungen) fortführen; bei laufender Medikation (Antihistaminika, Steroid-Nasensprays) mit HNO/HA abstimmen.
- Symptome wöchentlich dokumentieren (z. B. JRQLQ-orientiert), um Nutzen und Dosis zu evaluieren.
Bei Heuschnupfen kann Quercetin – besonders in gut verfügbaren Formen – Beschwerden reduzieren. Es ist eine Ergänzung, kein Ersatz für bewährte Therapien.
Evidenz bei Erkältungen und oberen Atemwegsinfekten (URTI)
Große Community-RCT (n=1002, 12 Wochen): 500 oder 1000 mg/Tag Quercetin senkten insgesamt URTI-Rate und -Schwere nicht besser als Placebo. Ein Vorteil zeigte sich nur in einer vordefinierten Subgruppe ab 40 Jahren mit hoher Fitness (1000 mg/Tag: weniger Krankheitstage und geringere Schwere). Quelle.
Athleten/harte Belastungsfenster: In einer RCT mit trainierten Radfahrern (1000 mg/Tag) traten in den zwei Wochen nach extremem Training weniger URTIs auf; Immunmarker blieben unverändert. Andere Ausdauerdaten sind gemischt – Interpretation: situativer Nutzen unter Extremstress möglich. Quelle.
Aktionsbox: „Intensivtraining/Arbeitsstress“
- Kurzfristige Anwendung (ca. 2–3 Wochen um den Peak-Stress) mit 500–1000 mg/Tag kann das Risiko post-stressbedingter Erkältungen bei manchen Personen senken. Erwartungen managen!
- Priorität haben Schlaf, Hygiene, ausreichende Kohlenhydrate rund ums Training und Erholung.
Für die breite Bevölkerung ist die Erkältungsprävention durch Quercetin nicht belegt. Unter sehr hoher Belastung sind Effekte wahrscheinlicher.
Virenabwehr (inkl. COVID‑19): Was wissen wir heute?
Frühe Bewertung (2020): Ein Rapid Review kam zu dem Schluss, dass die damalige Evidenz nicht ausreichte, Quercetin für Prävention oder Behandlung von COVID‑19 zu empfehlen. Quelle.
Neue Daten (Meta-Analyse 2023): Fünf RCTs (n≈544) deuten auf reduzierte Risiken für Hospitalisierung, ICU und Mortalität unter Quercetin hin; LDH sank, andere Marker blieben unverändert. Einschränkungen: kleine Studien, unterschiedliche Protokolle – adjunktiv denken, nicht als Ersatz für Impfung oder Leitlinien. Quelle.
Wichtiger Hinweis: Bei akuter Erkrankung gilt ärztliche Betreuung. Ergänzungen sind nur in Absprache sinnvoll; Quercetin ist kein Ersatz für medizinische Behandlung.
Bei COVID‑19 zeigen Meta-Analysen potenzielle Vorteile als Zusatztherapie, die Datenqualität ist jedoch begrenzt. Medizinische Behandlung hat Vorrang.
Bioverfügbarkeit zählt – welche Formen sind sinnvoll?
Reines Quercetin-Aglykon wird schlecht aufgenommen. Mehrere Technologien erhöhen die Verfügbarkeit deutlich: Lecithin-basierte Phytosome, bestimmte Glycoside (z. B. Isoquercitrin), γ‑Cyclodextrin-Komplexe oder selbstemulgierende Systeme. Humanstudien berichten je nach System 10‑ bis >20‑fache Expositionssteigerungen; auch Nahrungsfett verbessert die Aufnahme. Quelle.
Praxis-Tipp
- Form wählen: Bevorzugen Sie geprüfte, bioverfügbare Formen (z. B. Quercetin-Phytosom, Isoquercitrin) mit transparenter Deklaration.
- Einnahme: Zu einer Mahlzeit mit etwas Fett einnehmen.
Nicht die höchste Milligrammzahl, sondern die Form entscheidet. Bioverfügbare Systeme liefern bei gleicher Dosis deutlich höhere Blutspiegel.
Dosierung, Timing und sinnvolle Kombinationen
- Studienbereiche: 200–1000 mg/Tag über 4–12 Wochen sind typisch untersucht; für dauerhafte Hochdosen >12 Wochen fehlen robuste Daten. Quelle.
- Mögliche „Stacks“: Häufig kombiniert mit Vitamin C, Bromelain oder Zink. Plausible Synergien, aber gemischte klinische Evidenz – nettes Add-on, nicht Pflicht.
- Wer profitiert eher? Saisonale Allergiker, Personen mit kurzen Intensivstress-Phasen (Reise, Events, Trainingsblock) und Menschen, die in Absprache mit Ärztin/Arzt eine adjunktive Option bei Virusinfekten erwägen.
- Wer sollte pausieren bzw. Rücksprache halten? Schwangere/Stillende, Personen mit chronischer Nierenerkrankung, Menschen mit Polypharmazie (siehe Interaktionen). Quelle.
Sicherheit und Interaktionen (verständlich – mit Deutschland-Fokus)
Sicherheit: In Humanstudien waren bis 1000 mg/Tag über 12 Wochen meist gut verträglich. Häufigste Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, leichte Magen-Darm-Beschwerden, selten Kribbeln. Langzeitdaten zu hohen Dosen fehlen. Historische Mutagenitätsdebatten wurden relativiert; die IARC stufte Quercetin als „nicht klassifizierbar hinsichtlich Karzinogenität“ ein. Vorsicht bei Nierenvorschädigung und sehr hohen Dosen (v. a. i.v.). Quelle.
Arzneimittel-Transporter: Quercetin kann Transporter wie P‑gp und möglicherweise OATP beeinflussen. Klinisch stieg die Exposition des Antihistaminikums Fexofenadin unter Quercetin um ~55 % (AUC). Das spricht für relevante Interaktionspotenziale – bitte ärztlich/pharmazeutisch prüfen, v. a. bei OATP/P‑gp‑Substraten (z. B. manche Antihistaminika, Statine). Quelle.
Praktische Sicherheits-Checks
- Low & slow: Mit niedriger Dosis starten und Bedarf prüfen.
- Abstand zu Medikamenten: Einnahme zeitlich versetzen (einige Stunden), sofern medizinisch nicht anders empfohlen.
- Warnsignale: Bei ungewöhnlichen Symptomen absetzen und ärztlich abklären.
Kurzfristig ist Quercetin meist gut verträglich. Wichtig sind Check auf Interaktionen und Rücksprache bei Risikogruppen.
Food-first: Immunfreundliche Wochenroutine
- Zwiebel-Apfel-Chutney mit Kapern (zu Fisch oder Käse)
- Kräuterquark mit fein gehackter Zwiebel und Vollkornbrot
- Grünkohlchips mit Olivenöl und Meersalz
- Snack-Ideen: Apfel mit Schale, Beerenmix; Getränke: Grün-/Schwarztee
So erkennen Sie ein gutes Quercetin-Präparat (Deutschland)
- Transparente Deklaration: exakte Form (z. B. Quercetin-Phytosom, Isoquercitrin), mg pro Kapsel, Füll-/Hilfsstoffe.
- Qualitätssicherung: Prüfberichte/COA unabhängiger Labore anfordern; für Leistungssportler kann eine Listung auf der Kölner Liste zusätzliche Sicherheit bieten (kein Freibrief!).
- Finger weg von „Proprietary Blends“ ohne Mengenangaben.
Rechtlicher Hinweis (EU/Deutschland)
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat für Quercetin keine Health Claims autorisiert; Aussagen zu Krankheitsprävention/-behandlung sind im Nahrungsergänzungskontext unzulässig. Dieser Artikel dient der Bildung und ersetzt keine ärztliche Beratung. Quelle: EFSA.
Mini-Entscheidungshilfe
- Hauptproblem Heuschnupfen? 4–8 Wochen Test mit 200–500 mg/Tag einer bioverfügbaren Form plus Standardmaßnahmen; Symptome wöchentlich tracken. Quelle.
- Intensivstress/Trainingsblock? Kurzfristig 500–1000 mg/Tag um den Belastungsgipfel; Regenerationsbasics priorisieren. Quelle.
- Virenabwehr-Gedanke? Fokus auf Impfschutz, Schlaf, Lüften, Händehygiene; Quercetin nur adjunktiv und nach Rücksprache nutzen. Quelle.
FAQ – Kurzantworten
- Hilft Quercetin bei Allergien? Kleine Humanstudien mit verbesserten Symptomen sprechen dafür, besonders mit bioverfügbaren Formen; ersetzt keine Standardtherapie. Quelle.
- Wie lange bis zum Effekt? In Studien meist nach 2–4 Wochen spürbar. Quelle.
- Kann ich Quercetin mit Antihistaminika kombinieren? Möglich, aber Interaktionen sind denkbar (Fexofenadin-AUC +55 %). Bitte Arzt/Apotheke einbeziehen. Quelle.
- Ist Quercetin langfristig sicher? Kurzfristig (bis 12 Wochen, ≤1000 mg/Tag) gut verträglich; für dauerhafte Hochdosen fehlen Daten. Quelle.
- Beste Einnahmezeit? Zu einer Mahlzeit mit etwas Fett; verbesserte Formen bevorzugen. Quelle.
Fazit
Quercetin kann – klug eingesetzt – Teil eines immunfreundlichen Werkzeugkastens sein. Die stärkste Datenlage betrifft Allergiekomfort und hochbelastete Stressfenster; für die allgemeine Erkältungsprävention bleibt die Evidenz gemischt. Wählen Sie qualitativ hochwertige, bioverfügbare Formen, achten Sie auf Wechselwirkungen und verankern Sie Quercetin in einen „Food-first“-Longevity-Lebensstil.
Medizinischer Hinweis: Dieser Beitrag dient ausschließlich der Information und ersetzt keine Diagnose oder Behandlung. Sprechen Sie vor der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt oder Ihrer Apotheke – insbesondere, wenn Sie Medikamente einnehmen, schwanger sind, stillen oder Vorerkrankungen haben.
EFSA-Hinweis: Für Quercetin gibt es in der EU keine zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben.
Weiterführendes Material
- Newsletter: „2‑Wochen-Allergie-Tracker plus saisonale Food-Liste“ (kostenloser Download)
- Apotheken-Tipp: Fragen Sie gezielt nach potenziellen Interaktionen, wenn Sie Antihistaminika oder Statine einnehmen.
- Hintergrund: Quercetin als mögliches Senolytikum – was sind „Zombie‑Zellen“? Zum Artikel