PQQ: Der Turbo für die mitochondriale Biogenese
Leila WehrhahnAktualisiert:Was Sie hier bekommen: Eine nüchterne Einordnung zu PQQ: Was es ist, wie es auf mitochondrialer Ebene wirkt, was Studien am Menschen wirklich zeigen – und wie gesundheitsbewusste Erwachsene in Deutschland es sicher und sinnvoll testen können. Sachlich, praxisnah, ohne Hype.
Für wen ist das gedacht? Für 30- bis 70-jährige Leserinnen und Leser in Deutschland, die bereits trainieren, Nahrungsergänzungen kennen, kritisch, aber offen sind – mit Interesse an sicherer, schrittweiser Unterstützung für Energie, Kognition und gesundes Altern.
- Präklinische Daten sprechen dafür, dass PQQ Signalwege der mitochondrialen Biogenese aktiviert (PGC‑1α/SIRT1/CREB/AMPK). Die Evidenz am Menschen ist noch begrenzt, aber wächst. J Biol Chem 2010 (Mechanismus CREB/PGC‑1α), Biochemistry 2017 (SIRT1/NAD+).
- Kleine Humanstudien zeigen Verbesserungen bei Entzündungsmarkern und Metabolomik‑Signaturen mit Bezug zur Mitochondrienfunktion; Leistungseffekte sind gemischt; kognitive Endpunkte sehen in mehreren RCTs bei ~20 mg/Tag vielversprechend aus. J Nutr Biochem 2013 (Crossover), J Am Coll Nutr 2020 (Training), J Am Nutr Assoc 2022 (Kognition).
- In der EU ist PQQ (als BioPQQ) als neuartiger Lebensmittelbestandteil zugelassen; die EFSA stuft bis 20 mg/Tag für gesunde Erwachsene als sicher ein (nicht für Schwangerschaft/Stillzeit). EFSA‑Gutachten.
Warum Mitochondrien – und warum PQQ?
Mitochondrien sind die Kraftwerke unserer Zellen. “Mitochondriale Biogenese” bedeutet, dass Zellen mehr und/oder effizientere Mitochondrien bilden. Gesteuert wird das u. a. über den Koaktivator PGC‑1α, der zusammen mit den Transkriptionsfaktoren NRF‑1/NRF‑2 das mitochondriale Gen TFAM anschaltet – ein Kernschalter für mehr Mitochondrien pro Zelle. Mehr Mitochondrien korrelieren mit besserer Energieverfügbarkeit, Belastbarkeit und Aspekten gesunden Alterns. Laborbefunde mit PQQ zeigen genau diese Kaskade: CREB‑Aktivierung → mehr PGC‑1α → Aktivierung von NRF‑1/NRF‑2 → TFAM.
Mitochondriale Biogenese ist der Bauplan für mehr Zellkraftwerke. PQQ kann in Zellen genau die Schalter aktivieren, die diesen Prozess starten.
PQQ (Pyrrolochinolinchinon) ist ein bakterieller Redox‑Kofaktor, kommt in Spuren auch in Lebensmitteln vor und wird teils als “vitaminähnlich” diskutiert – eine Einordnung, die in der Wissenschaft seit Jahren debattiert wird. Eine Übersichtsarbeit zeichnet die Hintergrundbiologie, ohne PQQ als “Vitamin” für den Menschen zu klassifizieren; ein Beitrag in Nature hat die Vitamin‑Hypothese explizit infrage gestellt. Biomolecules 2021 (Review), Nature 2005 (Debatte).
PQQ ist kein anerkanntes Vitamin für den Menschen. Es wirkt aber als redoxaktiver Faktor und beeinflusst in Modellen mitochondriale Signalwege.
Für die EU und Deutschland wichtig: PQQ‑Dinatriumsalz (Handelsname u. a. BioPQQ) ist als neuartiges Lebensmittel zugelassen – für Nahrungsergänzungsmittel an gesunde Erwachsene bis 20 mg/Tag. Das erhöht Verbrauchersicherheit, weil Qualität, Spezifikationen und Reinheit reguliert sind. EFSA‑Gutachten.
In der EU ist PQQ für Erwachsene reguliert zugelassen (bis 20 mg/Tag). Das schafft Klarheit bei Qualität und Anwendung.
Was ist PQQ? Quellen, Formen und Ernährung
- Definition & Form: In Supplements meist als PQQ‑Dinatriumsalz, häufig als Markenrohstoff (z. B. BioPQQ) deklariert. EFSA Journal 2017 (Spezifikationen).
- Lebensmittel: PQQ findet sich in Spuren (Mikrogramm‑Bereich) in fermentierten Lebensmitteln wie Natto sowie in kleinen Mengen in weiteren pflanzlichen Quellen. EFSA Einschätzung zur Hintergrundaufnahme.
- Größenordnung: 20 mg/Tag aus einem Supplement liegen ≈250‑fach über der typischen Ernährungsaufnahme. EFSA Journal 2017.
- Qualität beachten: EU‑konforme Kennzeichnung, klar deklarierter Gehalt an PQQ‑Dinatriumsalz, bevorzugt mit Laborzertifikaten (deutsche/EU‑Akkreditierung).
Wie PQQ die mitochondriale Biogenese fördern könnte
Signalweg (vereinfacht): CREB‑Aktivierung → ↑ PGC‑1α → Aktivierung von NRF‑1/NRF‑2 → ↑ TFAM → mehr/leistungsfähigere Mitochondrien. J Biol Chem 2010.
Upstream: Zell‑/Tierdaten zeigen, dass PQQ CREB phosphoryliert und PGC‑1α hochreguliert; downstream steigen NRF‑1/NRF‑2‑Aktivität und TFAM‑Expression – klassische Marker der Mitochondrienbiogenese. Mechanistik in Hepatozyten.
SIRT1 & NAD+: Weitere Arbeiten berichten, dass PQQ die PGC‑1α‑Aktivität via SIRT1‑abhängiger Deacetylierung und eine Erhöhung zellulärer NAD+‑Level unterstützt – biochemisch passend zu Ausdauertraining und milder Kaloriensteuerung. Biochemistry 2017.
AMPK: In präklinischen Parkinson‑Modellen förderte PQQ mitochondriale Biogenese u. a. über AMPK‑Aktivierung; die Hemmung von AMPK hob die Effekte teilweise auf. Das spricht für AMPK als weiteren Knotenpunkt – mit potenzieller Synergie zu Training. Studie (Maus/Zellkultur), Open‑Access‑Volltext.
PQQ adressiert mehrere Schalter der Mitochondrienbiogenese (CREB/PGC‑1α, SIRT1/NAD+, AMPK). Das passt biologisch gut zu Ausdauertraining, ersetzt es aber nicht.
Was die Humanstudien zeigen: eine Evidenz‑Landkarte
Entzündung, Metabolomik und mitochondriale Signaturen
In einer Crossover‑Studie (n=10) senkte PQQ C‑reaktives Protein und IL‑6 und verschob Urin‑Metaboliten in Richtung eines Musters, das mit mitochondrialen Funktionen assoziiert ist. Mechanistisch ermutigend – aber noch kein klinischer Endpunkt. J Nutr Biochem 2013.
Sport/Leistung
Ein 6‑wöchiges RCT bei untrainierten Männern (20 mg/Tag plus Ausdauertraining) fand keinen Zusatznutzen für aerobe Leistung vs. Training allein. PGC‑1α in Muskelbiopsien war jedoch in der PQQ‑Gruppe höher – ein möglicher Hinweis auf Biogenese‑Signal, ohne ergogenen Effekt. J Am Coll Nutr 2020.
Kognition
In RCTs bei mittlerem bis höherem Alter (~20–21,5 mg/Tag, 8–12 Wochen) verbesserten sich u. a. Verbalmemory, Reaktionszeit, kognitive Flexibilität. Stichproben sind moderat und teils Sponsor‑assoziiert – die Signale sind dennoch konsistent positiv. J Am Nutr Assoc 2022.
Schlaf/Müdigkeit/Stress
Eine offene 8‑Wochen‑Studie (20 mg/Tag) berichtete Verbesserungen in Fragebögen zu Stimmung und Schlaf; Änderungen korrelierten mit der Cortisol‑Aufwachreaktion. Ohne Kontrollgruppe ist das Hypothesen‑generierend. Functional Foods in Health and Disease 2012.
MCI‑Pilot (Kombination)
In einer 6‑wöchigen RCT bei leichter kognitiver Beeinträchtigung (Kombination aus dihydrogenbildenden Mineralien + PQQ) stiegen Serum‑BDNF, die zerebrale Oxygenierung und mehrere MRS‑Marker; kleine N und Kombinationsprodukt – vorläufig. J Nutr Health Aging 2024.
Biomarker und kognitive Tests zeigen positive Signale; Leistungsvorteile sind bislang nicht belegt. Große, langfristige Studien fehlen.
Sicherheit, Rechtslage und wer PQQ meiden sollte
- EFSA‑Bewertung: Sicher bis 20 mg/Tag für gesunde Erwachsene; nicht vorgesehen für Kinder, Schwangerschaft und Stillzeit. EFSA‑Gutachten.
- Dosierungen in Studien: Klinische Daten bis 100 mg/Tag (≤24 Wochen) zeigen wenige Nebenwirkungen, allerdings wurde Nierenfunktion nicht in allen Studien umfassend geprüft – bei Nierenerkrankungen ärztlich abklären. EFSA Journal 2017 (Sicherheitszusammenfassung).
- Interaktionen: Keine etablierten Arzneimittelinteraktionen; wegen redoxaktiver Eigenschaften bei komplexen Medikationsregimen (Onkologie, Transplantation, Antikoagulation) ärztlichen Rat einholen.
PQQ verantwortungsvoll ausprobieren (kein medizinischer Rat)
Dosis & Timing
- Start mit 10 mg/Tag zum Frühstück für 1–2 Wochen; bei guter Verträglichkeit auf 20 mg/Tag steigern. Gesamtdauer des Selbsttests: 8–12 Wochen. EFSA‑Rahmen.
Was tracken? Ein einfacher N=1‑Plan
- Wöchentlich: Energie/Müdigkeit (Kurzskalen), Schlafqualität (PSQI‑kurz oder App), Ruhepuls/HRV, 6‑Minuten‑Gehtest oder standardisierter Ergometer‑Test, Reaktionszeit‑App, subjektive kognitive Belastung.
- Baseline 2 Wochen erfassen; Re‑Assessments in Woche 4, 8 und 12.
Synergien mit Lebensstil
- Kombinieren mit progressivem Ausdauertraining/Zone‑2 (der eigentliche Treiber der Mitochondrienbiogenese). PQQ ersetzt Training nicht. Hinweis aus Trainings‑RCT.
- Schlaf priorisieren; eiweißbetonte, nährstoffdichte Kost; Mikronährstoffe für mitochondriale Enzyme (z. B. Eisen bei nachgewiesenem Mangel, B‑Vitamine bedarfsorientiert). Um Trainingsanpassungen zu schützen, keine Hochdosis‑Antioxidantien direkt um die Einheit.
- Weiterführende Lektüre: Shilajit, Fulvinsäure und mitochondriale Energie.
Wann stoppen?
- Keine sinnvollen Änderungen bis Woche 8–12 oder unerwünschte Effekte: absetzen und neu bewerten.
Kaufberatung (deutscher Markt)
- PQQ‑Dinatriumsalz mit EU‑konformen Angaben wählen (max. 20 mg/Tag für Erwachsene ausgewiesen). Markenrohstoffe (z. B. BioPQQ) und chargenbezogene Laborzertifikate sind Pluspunkte. EFSA‑Hinweise.
- Übertriebene Gesundheitsversprechen vermeiden (EU‑Health‑Claims‑Recht). Vorsicht bei Kombi‑Formeln, die über die Einzelstoff‑Evidenz hinausgehen.
- Kuratierte Übersicht passender Longevity‑Produkte: Kollektion Longevity.
Mythencheck und FAQs (Kurz)
- Ist PQQ ein Vitamin? Nein. Es wird teils als “vitaminähnlich” bezeichnet, ist aber kein anerkanntes Vitamin beim Menschen; die Vitamin‑These wurde wissenschaftlich kritisiert. Nature‑Debatte, Aktuelle Übersicht.
- “Regeneriert PQQ meine Mitochondrien und kehrt Altern um?” Es kann Biogenese‑Signalwege hochfahren; robuste Langzeit‑Outcome‑Daten am Menschen fehlen. Lebensstil bleibt die Basis. Mechanistischer Anker.
- “Bekomme ich genug PQQ aus der Ernährung?” Nein – Lebensmittel liefern nur Mikrogramm‑Mengen; Supplemente (10–20 mg) liegen um Größenordnungen höher (~250×). EFSA‑Einschätzung.
Hinweis: Dieser Beitrag dient der Gesundheitsbildung und ersetzt keine ärztliche Beratung. Nahrungsergänzungsmittel sind kein Ersatz für eine ausgewogene Ernährung und Bewegung.