Was ist Kreatin? Von der Nahrung bis zu den Phosphokreatinspeichern im Muskel
Leila WehrhahnAktualisiert:Einführung
Kreatin ist kein geheimnisvolles “Bodybuilder-Pulver”, sondern ein kleiner Baustein, den Ihr Körper selbst herstellt – und den Sie mit der Nahrung aufnehmen. In Muskeln und Gehirn dient es als schneller Energiespeicher: Es puffert Spitzenbelastungen ab, unterstützt kurze, intensive Anstrengungen und hilft, ATP – die “Energiewährung” jeder Zelle – in Sekundenbruchteilen wiederherzustellen. Warum das wichtig ist? Weil Kraft, Beweglichkeit und geistige Leistungsfähigkeit entscheidend für gesundes Altern sind. Wer auch jenseits der 40–70+ aktiv bleiben will, profitiert von einem Energiesystem, das in Alltag und Training zuverlässig liefert. Dieser Leitfaden erklärt verständlich: Was Kreatin ist, wie es aus dem Essen in Ihre Phosphokreatin-Speicher gelangt – und wie Sie es sicher und sinnvoll einsetzen.
Creatine 101: Das Molekül und der Körper
Kreatin ist eine stickstoffhaltige Verbindung, die aus den Aminosäuren Glycin, Arginin und Methionin entsteht. Hauptsyntheseorte sind Leber und Niere; von dort wird Kreatin über das Blut in Gewebe transportiert. Rund 95 % der gesamten Kreatinmenge befindet sich in der Skelettmuskulatur, kleinere Anteile im Gehirn und im Herzen. Täglich werden etwa 1–2 % dieser Speicher zu Kreatinin abgebaut und über die Niere ausgeschieden – sie müssen daher kontinuierlich über Nahrung oder körpereigene Synthese aufgefüllt werden.
Kreatin wird im Körper gebildet und mit der Nahrung aufgenommen. Die meisten Speicher liegen im Muskel und müssen täglich nachgefüllt werden.
- Was es ist: Kleine, natürliche Energiereserve auf Aminosäurebasis.
- Wo es “lebt”: Vor allem im Skelettmuskel; auch im Gehirn und Herzen.
- Warum wichtig: Unterstützt kurze, intensive Belastungen und Trainingseffekte.
Vom Teller in den Phosphokreatin-Speicher: So wird Energie draus
Dietäre Quellen
Kreatin steckt vor allem in tierischen Lebensmitteln. Rind, Schwein, Geflügel und Fisch liefern relevante Mengen; Hering, Thunfisch oder Kabeljau gehören zu den creatinreicheren Optionen. Beim Kochen geht ein Teil ins Kochwasser über oder wandelt sich zu Kreatinin um – sanftes Garen und das Nutzen von Brühe reduziert Verluste. Omnivore Menschen nehmen im Alltag meist etwas Kreatin über Fleisch oder Fisch auf. Vegetarier:innen und Veganer:innen haben dagegen oft niedrigere Ausgangsspeicher in der Muskulatur, was die Wirkung einer Ergänzung teilweise verstärken kann. Typische deutsche Portionen: 150–200 g Fisch oder Fleisch liefern im Schnitt einige hundert Milligramm Kreatin; für Sättigung der Speicher sind Supplements jedoch der zuverlässigste Weg.
Fisch und Fleisch liefern Kreatin, aber Kochen mindert den Gehalt. Vegetarisch/vegan lebende Menschen haben oft niedrigere Speicher und profitieren besonders von einer Ergänzung.
Aufnahme und Transport
Nach dem Essen wird Kreatin im Dünndarm aufgenommen, gelangt ins Blut und wird über den Transporter SLC6A8 in die Muskelzellen aufgenommen. Dieser Transporter wirkt wie ein “Tor”, das Kreatin in die Zelle bringt, wo es als Energiespeicher bereitliegt. Bei seltenen genetischen Störungen dieses Transporters ist eine Supplementierung nicht wirksam – in solchen Fällen ist ärztliche Abklärung essenziell.
Der Körper hat ein Transportsystem, das Kreatin aus dem Blut in die Muskelzellen schleust – die Grundlage für volle Energiespeicher.
Die “Batterie” aufladen: Das Phosphokreatin-System
In der Zelle übernimmt die Kreatinkinase die Schlüsselrolle: Sie überträgt eine Phosphatgruppe von ATP auf Kreatin – es entsteht Phosphokreatin (PCr). Bei plötzlichem Energiebedarf gibt PCr diese Phosphatgruppe sofort an ADP zurück und regeneriert so in Sekundenbruchteilen ATP. Dieser Puffer wirkt wie eine wiederaufladbare Batterie, die Leistungsspitzen (z. B. Aufstehen vom Stuhl, Treppensteigen, ein Sprint oder ein schwerer Satz im Training) stabilisiert. Ein “PCr‑Shuttle” transportiert die energiereichen Phosphate von den Mitochondrien dorthin, wo die Muskelarbeit stattfindet – ein wesentlicher Grund, warum Kreatin wiederholte, kurze Anstrengungen und die Trainingsqualität unterstützt.
Phosphokreatin ist der schnellste Energiespender für kurze, intensive Belastungen. Mehr gespeichertes Kreatin bedeutet eine größere, schneller verfügbare Energiereserve.
Kreatin über die Lebensspanne: Warum es für gesundes Altern zählt
Mit zunehmendem Alter verlieren wir ohne gezieltes Training Muskelmasse und -kraft (Sarkopenie). Gut belegt ist: Kreatin in Kombination mit Krafttraining steigert die Kraft und fördert die fettfreie Masse bei Erwachsenen und älteren Erwachsenen. In Studien zeigen sich außerdem praktische Vorteile, etwa schnellere Aufstehzeiten vom Stuhl, bessere Gehgeschwindigkeit oder ein sichererer Stand – immer dann am größten, wenn ein strukturiertes Kraftprogramm dazugehört. Für das Gehirn ist die Datenlage gemischt, aber vielversprechend: Unter Schlafentzug oder in Gruppen mit niedrigeren Ausgangsspeichern (z. B. Vegetarier:innen) wurden kognitive Vorteile beobachtet; in Bezug auf kognitives Altern und Neuroprotektion gibt es ermutigende, aber noch nicht abschließend gesicherte Hinweise. Für Knochen und Stoffwechsel zeichnet sich ein potenzieller Zusatznutzen ab, der vor allem dann greift, wenn Training und ausreichende Proteinzufuhr gewährleistet sind. Mehr zum Zusammenspiel von Kreatin und Gehirnstoffwechsel lesen Sie im Hintergrundartikel Kreatin und Gehirnstoffwechsel.
- Gut belegt: Mehr Kraft/Leistung und etwas mehr fettfreie Masse mit Kreatin + Krafttraining bei Erwachsenen/Älteren.
- Nahe am Alltag: Bessere funktionelle Tests (Aufstehen, Gangtempo), wenn Training integriert ist.
- Vielversprechend, aber gemischt: Kognition (besonders bei Schlafentzug/geringer Versorgung).
- Vorläufig: Knochen- und Stoffwechselvorteile; hier sind Training und Proteinzufuhr entscheidend.
Wer profitiert am meisten?
- Erwachsene 40–70+, die mit Krafttraining beginnen oder es fortsetzen möchten.
- Vegetarier:innen und Veganer:innen mit tendenziell niedrigeren Ausgangsspeichern.
- Menschen mit körperlich fordernden Jobs oder Sportarten mit kurzen, intensiven Belastungen.
- Personen mit geringem Appetit oder Schwierigkeiten, Proteinziele zu erreichen.
- bekannter Nierenerkrankung oder Kreatin-Transporterdefekt,
- Schwangerschaft/Stillzeit (Datenlage begrenzt),
- Einnahme potenziell nierenschädigender Medikamente,
- Adoleszenten – hier bitte mit der behandelnden Fachperson sprechen.
So nutzen Sie Kreatin sicher und effektiv
Formen und Qualität
Kreatin-Monohydrat ist der Goldstandard in Wirksamkeit, Sicherheit und Preis‑Leistung. Eine “mikronisierte” Variante verbessert die Löslichkeit. Andere Formen (z. B. HCl, Ethylester, Nitrat) zeigen in Studien keine konsistenten Vorteile und sind oft teurer. Achten Sie in Deutschland/EU auf Qualitätssiegel wie unabhängige Chargenprüfungen (z. B. Informed‑Sport) und Schwermetalltests. Als Beispiel für hohe Reinheit gilt Creapure – ein in Deutschland hergestelltes Kreatin‑Monohydrat mit strenger Qualitätskontrolle; nutzen Sie solche Hinweise als Orientierung für den Einkauf, ohne sich auf Markennamen zu versteifen.
Dosierungsoptionen
- Standard‑Loading: 20 g/Tag (4 × 5 g) für 5–7 Tage, anschließend Erhaltung mit 3–5 g/Tag.
- Ohne Laden: 3–5 g/Tag; volle Sättigung nach etwa 3–4 Wochen.
- Ältere Erwachsene: Häufig reichen 3 g/Tag; ideal kombiniert mit Protein und Krafttraining.
Timing und Kombination
Entscheidend ist die tägliche Regelmäßigkeit – Zeitpunkt vor oder nach dem Training ist zweitrangig. Mit einer Mahlzeit (oder zusammen mit Kohlenhydraten/Protein) kann die Verträglichkeit und Aufnahme unterstützt werden. Trinken Sie ausreichend. Praktische Zubereitung: In warmem Wasser, Tee oder im Joghurt/Shake auflösen.
Wie lange einnehmen und wann pausieren?
Zyklen sind aus Sicherheitsgründen nicht erforderlich. Manche legen freiwillige Pausen ein, z. B. vor Blutuntersuchungen, um Kreatinin‑Werte besser interpretieren zu können. Sprechen Sie diesbezüglich mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt.
- Kreatin‑Monohydrat wählen (idealerweise unabhängig getestet).
- Loading vs. No‑Load entscheiden.
- Täglich einnehmen und Training/Alltagserfolg dokumentieren.
- 2–3×/Woche Krafttraining; Protein ca. 1,2–1,6 g/kg/Tag (sofern medizinisch geeignet).
- Hydriert bleiben.
Sicherheit, Nebenwirkungen und Mythen
Häufige, meist milde Nebenwirkungen sind vorübergehende Wassereinlagerung in der Muskulatur und Magen‑Darm‑Beschwerden bei großen Einzeldosen im nüchternen Zustand. Abhilfe: Dosen aufteilen und mit Flüssigkeit/Mahlzeit einnehmen. In Studien mit gesunden Erwachsenen und Standarddosierungen zeigen Langzeitanwendungen keine schädlichen Effekte auf die Nierenfunktion. Wichtig: Kreatin kann das Labor‑Kreatinin ansteigen lassen, ohne die Nierenfunktion zu verschlechtern – informieren Sie Ihre Ärztin/Ihren Arzt vor Bluttests. Aussagen zu “Austrocknung” oder “Wadenkrämpfen” werden durch hochwertige Daten nicht gestützt; normale Flüssigkeitszufuhr genügt. Haare: Es gibt begrenzte, indirekte Daten – wer besorgt ist, beobachtet Veränderungen und bespricht sie ärztlich. Vorsicht bei potenziell nephrotoxischen Medikamenten. Hochdosis‑Koffein kann bei einzelnen Personen die Verträglichkeit mindern; wenn sensibel, Abstand halten. Doping: Kreatin ist legal und steht nicht auf der WADA‑Verbotsliste.
- eine Nierenerkrankung vorliegt oder vermutet wird,
- Sie mehrere Blutdruck‑ oder andere Nieren‑relevante Medikamente einnehmen,
- Sie schwanger sind oder stillen,
- es um die Anwendung im Jugendalter geht.
Praxis: So klappt die Umsetzung
Beispiel: 4‑Wochen‑Plan
- Woche 1: Optionales Loading (20 g/Tag in 4 Dosen) + 2 einfache Ganzkörpereinheiten (z. B. Kniebeugen zum Stuhl, Liegestütze an der Küchenarbeitsplatte, Ruderzüge mit Band).
- Woche 2–4: Erhaltungsdosis (3–5 g/Tag). Fortschritt über mehr Wiederholungen/Sätze; 2×/Woche zügiges Gehen oder Radfahren ergänzen.
Food‑first + Supplement: Ein Tagesbeispiel
Omnivor: Haferflocken mit Joghurt und Beeren; mittags Linsensuppe; abends 180 g Lachs mit Kartoffeln und Gemüse. Vegetarisch/vegan: Tofu‑Rührei mit Vollkornbrot; mittags Kichererbsensalat; abends Seitanpfanne mit Gemüse und Reis. In beiden Fällen: 3–5 g Kreatin‑Monohydrat täglich einplanen.
Einkaufsliste
- Kreatin‑Monohydrat (bevorzugt unabhängig geprüft),
- Shaker/Messlöffel,
- Widerstandsbänder,
- Proteinreiche Grundnahrungsmittel nach Ernährungsform.
Tracking
- Einfache Kraftwerte: Sitz‑zu‑Stand‑Wiederholungen in 30 Sekunden; ggf. Handkraft.
- Körpergewicht/Taille, Energielevel, Trainingslogbuch.
Häufige Fragen
Hilft Kreatin auch ohne Training?
Es kann die Energiespeicher im Muskel erhöhen; die größten, konsistenten Vorteile sehen Sie jedoch in Kombination mit Krafttraining.
Ist „mikronisiert“ besser?
Es löst sich besser; in der Wirkung ist Kreatin‑Monohydrat in normaler oder mikronisierter Form gleichwertig.
Kann ich es vor dem Schlafen nehmen?
Ja. Timing ist zweitrangig – wichtig ist die tägliche Einnahme.
Was, wenn ich Tage auslasse?
Kein Drama – einfach weitermachen. Konstanz über Wochen zählt.
Dürfen Teenager Kreatin nehmen?
Nur nach ärztlicher Rücksprache; für Minderjährige ist die Datenlage begrenzter.
Was bei salzarmer oder eiweißarmer Ernährung?
Kreatin enthält kein Natrium. Bei sehr niedriger Proteinzufuhr zunächst die Ernährung prüfen; Kreatin ersetzt kein Protein.
Mit Kollagen oder Whey kombinieren?
Ja, das ist üblich. Protein kann die Trainingsanpassungen zusätzlich unterstützen.
Wann merke ich etwas?
Mit Loading oft nach 5–7 Tagen; ohne Loading typischerweise nach 3–4 Wochen.
EU‑Hinweis zu Health Claims und Rechtliches
In der EU ist der Leistungsclaim “Kreatin erhöht die körperliche Leistung bei Schnellkrafttraining im Rahmen kurzzeitiger, intensiver Betätigung” zugelassen – der Nutzen stellt sich bei einer täglichen Aufnahme von 3 g Kreatin ein und gilt für Produkte, die sich an Erwachsene richten, die intensive körperliche Betätigung ausüben. Kreatin ist in der EU und in Deutschland legal und steht nicht auf der WADA‑Verbotsliste.
Wichtiger Hinweis
Dieser Artikel dient der Information und ersetzt keine medizinische Beratung. Besprechen Sie die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, insbesondere bei Grunderkrankungen oder Medikamenteneinnahme, mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt. Labortipp: Kreatin kann den Serum‑Kreatininwert erhöhen, ohne die Nierenfunktion zu verschlechtern; informieren Sie Ihr medizinisches Team, damit die eGFR richtig interpretiert wird.
Nächste Schritte
- Laden Sie die einseitige Kreatin‑Schnellstart‑Checkliste herunter.
- Melden Sie sich für unseren wöchentlichen “Longevity in Practice”‑Newsletter an.
- Starten Sie mit einem anfängerfreundlichen Kraftprogramm und planen Sie Ihre Proteinzufuhr.
- Entdecken Sie unsere Longevity‑Produkte.
Take‑home
- Kreatin ist ein natürlicher Energiepuffer für Muskel und Gehirn; niedrige Zufuhr und Alter können die Speicher reduzieren.
- Nahrung liefert etwas – Supplements sättigen die Speicher zuverlässig.
- Monohydrat, 3–5 g/Tag, kombiniert mit Krafttraining ist eine wertvolle, kostengünstige Strategie für gesundes Altern.
- Für gesunde Erwachsene generell sicher; bei Nierenthemen oder spezieller Medikation ärztlich abklären.
- Konstanz schlägt Perfektion – paaren Sie Kreatin mit Protein und progressivem Widerstandstraining.
Weiterführende Quellen
- ISSN‑Positionspapier 2021: Sicherheit und Wirksamkeit von Kreatin
- Meta‑Analyse: Kreatin + Krafttraining bei älteren Erwachsenen
- Übersichtsarbeit: Kreatin und Gehirnleistung
- WADA‑Verbotsliste (Kreatin ist nicht gelistet)
- EU‑Register der zugelassenen Health Claims (Kreatin‑Claim)
- Häufige Fragen & Missverständnisse zu Kreatin (JISSN 2021)
- Creapure: in Deutschland hergestelltes Kreatin‑Monohydrat (Qualitätsbeispiel)