Kreatin-Wirkung im Vergleich: Veganer vs. Omnivoren – wer profitiert mehr?
Leila WehrhahnAktualisiert:Warum dieses Thema jetzt wichtig ist
Kreatin gehört zu den am besten untersuchten leistungsfördernden Supplementen – und Deutschland hat eine starke Kraft-, Ausdauer- und Longevity-Szene. Parallel wächst der Anteil pflanzenbetonter und veganer Ernährungsweisen. In diesem Leitfaden vergleichen wir systematisch Veganer:innen und Omnivore in Bezug auf Leistung, Kognition und Langlebigkeits-relevante Outcomes. Anschließend erhalten Sie konkrete Protokolle, Dosierungen und Qualitätskriterien mit Fokus auf den deutschen/EU-Markt.
TL;DR: Veganer:innen starten im Mittel mit niedrigeren Kreatinspeichern und zeigen deshalb oft größere relative Zugewinne durch Supplementierung – im Muskel und in einigen kognitiven Aufgaben. Omnivore profitieren ebenfalls, aber die Effektstärke kann geringer ausfallen, weil die Basisspeicher höher sind. Die bestuntersuchte Form ist Kreatin-Monohydrat.
Kreatin 101 – warum es für Langlebigkeit zählt
Kreatin ist ein Energiespeicher im Phosphokreatin-System. Es puffert ATP in Muskel und Gehirn und unterstützt kurzzeitige, hochintensive Belastungen. Der Körper synthetisiert Kreatin (AGAT, GAMT), zusätzlich stammt es aus der Ernährung. Pro Tag werden etwa 1–2 % des Gesamtkreatin-Pools zu Kreatinin abgebaut (bei Erwachsenen ungefähr 1–2 g/Tag), was ersetzt werden muss. Omnivore nehmen typischerweise bis zu ~1 g/Tag über Fleisch/Fisch auf, Veganer:innen praktisch 0 g über die Nahrung. Über Alter und Training kann Kreatin als „Longevity-Hebel“ wirken, indem es fettfreie Masse, Kraft/Power und funktionelle Kapazität im Zusammenspiel mit Krafttraining stützt; für kognitive Effekte gibt es gemischte, aber interessante Hinweise.
Kreatin hilft Muskeln und Gehirn bei kurzer, intensiver Energiearbeit. Ältere Menschen und Veganer:innen können besonders profitieren, vor allem in Kombination mit Krafttraining.
Weiterführend: Übersichtsartikel zu Kreatin-Metabolismus, Kreatin, Gehirn und ATP-Pufferung, Rolle der Nahrungskreatin-Zufuhr.
Baseline: Veganer:innen/Vegetarier:innen vs. Omnivore
Mehrere Studien zeigen: Vegetarier:innen (und damit auch viele Veganer:innen) haben niedrigere intramuskuläre Kreatin- und Phosphokreatin-Speicher als Omnivore. Ursache ist die fehlende Zufuhr über Fleisch/Fisch; beeinflusst wird dies zusätzlich durch Faktoren wie Trainingsstatus, Alter und Geschlecht. Wichtig: Viele Studien fassen Vegetarier:innen und Veganer:innen zusammen – für streng vegane Populationen gibt es noch Datenlücken.
Ohne Kreatin aus der Nahrung sind die Muskelspeicher oft niedriger. Das bietet mehr „Luft nach oben“ bei einer Supplementierung.
Belege: Muskel-Kreatin niedriger bei Vegetarier:innen, höhere Ladefähigkeit, Vegetarier:innen: größere Zuwächse von TCr/PCr und Leistung, Kreatinspeicher sinken nach Umstieg auf vegetarische Kost.
Wer gewinnt mehr? Effektivität der Supplementierung nach Ernährungsform
Muskel-Leistung und -Komposition
Klassische Vorteile von Kreatin-Monohydrat: größere Zuwächse von Kraft/Power und fettfreier Masse in Kombination mit Krafttraining – bei jungen wie älteren Erwachsenen. Personen mit niedrigeren Basisspeichern (häufig Vegetarier:innen/Veganer:innen) zeigen oft größere relative Steigerungen; Omnivore profitieren ebenfalls, aber die „Delta“-Werte sind teils moderater.
Belege: Randomisierte Studie mit größerer Antwort bei Vegetarier:innen; Meta-Analysen zu Hypertrophie/Lean Mass und älteren Erwachsenen: LBM-Meta-Analyse (2022), Ältere: +1,37 kg LBM, Kraftvorteile, Jüngere Erwachsene: +1,14 kg LBM.
Kognitive Outcomes
Die Gesamtbefundlage ist gemischt. Einige Studien zeigen Vorteile bei Aufgaben des Kurzzeitgedächtnisses/der mentalen Ermüdung – teils stärker bei Vegetarier:innen. Ein Klassiker ist die Studie an vegetarischen Studierenden mit Verbesserungen in Arbeitsgedächtnis und Raven-Matrizen. Neuere, größere Arbeiten finden eher kleine Effekte und nicht durchgehend Vorteile für Vegetarier:innen gegenüber Omnivoren. MRS-Daten belegen zudem: Das Gehirn lädt langsamer und begrenzter als Skelettmuskel, dennoch sind ca. 5–10 % Anstiege des Gehirn-Kreatins möglich.
Kognitive Effekte sind möglich, aber kleiner und aufgabenabhängig. Besonders bei niedrigen Ausgangsspiegeln oder unter Stress/Schlafentzug zeigen sich eher Vorteile.
Belege: Vegetarier-Studie mit kognitivem Benefit, große RCT mit kleinen Effekten, Vergleich Vegetarier:innen vs. Omnivore, MRS: +~9 % Gehirn-Kreatin nach 4 Wochen, Multinukleare MRS: Anstieg und Energiemarker-Veränderungen.
Regulatorische Einordnung: Für „Kognition“ ist in der EU bislang kein genereller Health Claim zugelassen (EFSA 2024).
Langlebigkeits-relevante Endpunkte
Bei älteren Erwachsenen reduzieren mehr Muskelmasse und -kraft das Risiko für Gebrechlichkeit und Stürze. Die Evidenz ist hier am stärksten, wenn Kreatin mit regelmäßigem Krafttraining kombiniert wird; ohne Training sind Effekte kleiner oder ausbleibend. (Quelle)
Praktische Dosierung – angepasst an Ernährung und Ziel
Goldstandard: Kreatin-Monohydrat (gerne mikrofein) – bestbelegt und kosteneffektiv. (ISSN-Positionstand)
Laden vs. „No-Load“
- Option A (schnell): 20 g/Tag in 4 Dosen für 5–7 Tage, dann 3–5 g/Tag.
- Option B (langsam): 3–5 g/Tag ohne Ladephase; volle Sättigung nach ~3–4 Wochen.
Für Veganer:innen
- Erwarten Sie oft größere relative Fortschritte; beide Strategien funktionieren.
- Mit einer Carb/Protein-Mahlzeit einnehmen (z. B. Haferflocken + Sojajoghurt + Obst), um die Aufnahme zu unterstützen. Hohe Insulinspiegel beschleunigen die Einlagerung; praktikabel sind Mischmahlzeiten statt riesiger Zuckermengen. (Quellen: PubMed, Journal of Applied Physiology)
- Bei empfindlichem Magen: in 2–3 kleinere Portionen splitten (z. B. 2 × 2 g).
Für Omnivore
- Gleiche Dosierung; absolute Zuwächse können etwas kleiner ausfallen (höhere Basis).
- Mit Mahlzeiten kombinieren; an Trainingstagen bietet sich Post-Workout mit Protein/Carbs an. (Quelle: Journal of Applied Physiology)
Timing
Konsistenz schlägt Uhrzeit. Ein kleiner Vorteil zeigt sich, wenn Sie Kreatin zu einer gemischten Mahlzeit oder rund ums Training mit Protein/Carbs nehmen. (Quelle: Journal of Applied Physiology)
Interaktionen & besondere Hinweise
- Koffein: Ältere Studien deuten darauf hin, dass sehr hohe akute Dosen während der Ladephase die Leistungsvorteile mindern könnten; die Evidenz ist inkonsistent. Praxis: Kaffee normal weitertrinken, aber „Mega-Dosen“ im Loading meiden. (Quellen: J Appl Physiol 1996, Review 2016)
- Hydration & Elektrolyte: Genügend Flüssigkeit hilft, Berichte über Krämpfe/Blähgefühl zu reduzieren. Siehe auch den ausführlichen Stack‑Guide mit Elektrolyten, Beta‑Alanin und NAD‑Boostern.
- Methylierung/Homocystein: Kreatin kann die körpereigene Synthese dämpfen; ein klarer homocysteinsenkender Effekt ist beim Menschen nicht gesichert. Veganer:innen sollten unabhängig davon ihre Vitamin‑B12‑Versorgung sicherstellen. (Quelle: Übersicht)
3–5 g Kreatin-Monohydrat täglich reichen meist aus. Mit Mahlzeiten einnehmen, bei sensibler Verdauung aufteilen. Sehr hohe Koffeinspitzen während der Ladephase meiden.
Darreichungsformen, Qualität und deutsche/EU-Spezifika
- Monohydrat vs. HCl & Co.: Monohydrat bleibt Referenz – beste Datenlage, bestes Preis‑Nutzen‑Verhältnis; „mikronisiert“ verbessert nur die Löslichkeit. (ISSN-Positionstand)
- Reinheit & Testung: Achten Sie auf Chargenprüfung (z. B. Kölner Liste) oder Zertifizierungen wie Informed Sport.
- „Made in Germany“: Creapure (Alzchem) steht für hohe Reinheit, vegane Synthese und regelmäßige Doping-Screenings.
- Rechtliches: Kreatin ist nicht von WADA/NADA verboten. Nutzen Sie geprüfte Produkte, um Kontaminationsrisiken zu senken. (WADA-Liste)
- Health Claims (EU): Zugelassen ist u. a. „Kreatin erhöht die körperliche Leistungsfähigkeit bei aufeinanderfolgenden, sehr intensiven, kurzen Belastungen“ (3 g/Tag). Für Ältere (≥55 J.) ist ein Claim in Kombination mit regelmäßigem Krafttraining möglich. Keine krankheitsbezogenen Aussagen. (EFSA 2011, EFSA 2016)
- Vegan: Nahezu alle Kreatin-Monohydrat-Produkte sind synthetisch und damit vegan – auf Kennzeichnung achten.
Monohydrat wählen, Qualitäts-Siegel prüfen (z. B. Kölner Liste, Informed Sport). Kreatin ist legal und EU-weit mit klaren Leistungs-Claims nutzbar.
Sicherheit, Nebenwirkungen, Kontraindikationen
In gesunden Erwachsenen ist Kreatin gut untersucht und bei sachgerechter Anwendung sicher. Häufige, meist vorübergehende Effekte: 0,5–1,5 kg Wassergewicht (intrazellulär) und gelegentliche Magen-Darm-Beschwerden bei großen Einzeldosen – beides lässt sich durch Splitten und Einnahme mit einer Mahlzeit minimieren. Kreatin erhöht oft das Serum-Kreatinin (Abbauprodukt) ohne eine echte Nierenfunktionsstörung anzuzeigen; bei Nierenerkrankungen oder nephrotoxischen Medikamenten vorab ärztlich beraten lassen. Für Schwangerschaft/Stillzeit fehlen belastbare Daten.
Belege/Sicherheitsschnellcheck: Nierenfunktion unter Kreatin (12 Wochen, High-Protein), Langzeit-Anwender: keine Nierenschäden, Neue Biomarker: 3–5 g/Tag kurzfristig sicher, Position Stand ISSN: Sicherheit & Wirksamkeit.
Kreatin ist für gesunde Erwachsene gut belegt sicher. Wassergewicht und Bauchgrummeln sind die häufigsten, meist vorübergehenden Begleiterscheinungen.
Actionable Buyer’s Guide (Deutschland)
- Form: Kreatin-Monohydrat
- Dosis: 3–5 g/Tag (Ladephase optional)
- Zertifizierung: z. B. Kölner Liste (Creapure) oder Informed Sport
- Preischeck: Auf Kosten pro 5‑g-Portion achten; „Fancy“-Formen meist teurer ohne Zusatznutzen.
1‑Woche-Implementierungspläne
Veganer Strength-Trainee
- Täglich 3–5 g mit Frühstück (Hafer + Sojaskyr + Beeren) oder Post-Workout Smoothie (Sojamilch + Banane + Haferflocken).
- Training 3×/Woche Ganzkörper (Grundübungen, 3–4 Sätze à 5–12 Wdh.).
- Resttage: gleiche Einnahmezeit; Hydration beachten.
Omnivorer Trainee
- 3–5 g nach dem Training mit Quark/Skyr + Obst oder mit Hauptmahlzeit.
- Optional Ladephase in Woche 1; Kaffee normal, aber keine sehr hohen Dosen direkt im Loading.
Ältere Erwachsene (vegan/omni)
- 3–5 g zu den Hauptmahlzeiten; Proteinzufuhr pro Mahlzeit sichern.
- Progressives Krafttraining 2–3×/Woche (Beinpresse/ Kniebeuge-Varianten, Rudern, Drücken, Heben; Technikbetreuung empfohlen).
Evidence Quality & Gaps
- Hohe Sicherheit: Monohydrat wirkt; Vegetarier:innen/Veganer:innen starten niedriger und profitieren im Muskel oft stärker. (Quellen: ISSN, PubMed)
- Gemischt/limitiert: Gehirn-Outcomes (aufgabenspezifisch), harte Longevity-Endpunkte; strikte Veganer-RCTs bei Älteren fehlen. (Quellen: BMC Medicine, EFSA)
- Was kommt: Studien stratifiziert nach Ernährung, Alter, Geschlecht; MRS + Kognition in Kombination.
Kurze Fallvignetten
Vignette Vegan (35 J., CrossFit): Start mit 3–5 g/Tag zu Frühstück-Bowl. Nach 6 Wochen: +1,2 kg fettfreie Masse, +10 % 5RM Kniebeuge, weniger mentale Müdigkeit nach Nachtschichten (subjektiv). (Quelle)
Vignette Omni (48 J., Laufen + Kraft): No‑Load (5 g/Tag) post Workout mit Skyr + Banane. Nach 8 Wochen: +7 % Bankdrücken 5RM, schnellere Sprintfinishes; Gewicht +0,7 kg (v. a. Wasser). (Quelle)
End-of-Article Checkliste
- Kreatin-Monohydrat wählen (idealerweise Creapure oder zertifiziert).
- Ladephase vs. 3–5 g/Tag entscheiden; 8–12 Wochen mit Training durchziehen.
- Tägliche Dosis mit Carb/Protein-Mahlzeit; bei Magenempfindlichkeit splitten.
- Fortschritte tracken: Körpergewicht, 3–5RM in Kernübungen, einfacher kognitiver Task/Produktivitätsmarker.
- Nach 12 Wochen Bilanz ziehen; bei Bedarf mit 3–5 g/Tag weitermachen.
Compliance & medizinischer Hinweis (DE/EU)
Dieser Artikel dient der Bildung und ersetzt keine medizinische Beratung. Keine krankheitsbezogenen Aussagen. Personen mit Nierenerkrankungen, unter ärztlicher Medikation, Schwangere/Stillende sollten vor Einnahme Rücksprache mit ihrem/ ihrer Ärzt:in halten. Kreatin ist nicht von WADA/NADA verboten; nutzen Sie geprüfte Produkte. EFSA-Claims beachten (Leistung/Ältere; keine generellen Krankheits- oder Kognitions-Claims). (WADA-Liste, EFSA 2011, EFSA 2016)