Kreatin und Muskelgesundheit: Muskelerhalt im Alter – Sarcopenie wirksam vorbeugen
Leila WehrhahnAktualisiert:Kreatin 50+: Stärkere Muskeln, bessere Funktion – was die Wissenschaft sagt
Stellen Sie sich vor: Sie stehen ohne Abstützen aus dem Sessel auf, tragen zwei Einkaufstüten die Treppe hinauf und fühlen sich dabei stabil. Genau diese Alltagsleistungen sind die „Währung” für gesundes Altern. Mit zunehmendem Alter droht jedoch ein Gegenwind: die altersbedingte Abnahme von Muskelkraft und -masse – medizinisch „Sarkopenie”. Sie erhöht das Risiko für Stürze, Pflegebedürftigkeit und Verlust der Selbstständigkeit. Die europäische Expertengruppe EWGSOP2 rückt deshalb die Muskelkraft ins Zentrum der Diagnose und empfiehlt einfache Funktionstests wie Handkraft, Aufsteh- und Geh-Tempo, um Risiken früh zu erkennen.
Wer seine Muskelgesundheit gezielt schützen will, hat zwei hocheffektive Hebel: regelmäßiges Krafttraining und – als „Verstärker” – Kreatin. Im Folgenden erhalten Sie einen praxisnahen, EU-konformen Leitfaden für Menschen ab 50, inklusive Trainingsplan, Dosieroptionen, Sicherheit, Produktqualität und konkretem 8‑Wochen-Startplan.
Weiterführend: europäische Konsensus-Empfehlungen der EWGSOP2 zur Sarkopenie-Diagnose und -Überwachung finden Sie in den Age-&-Ageing-Leitlinien.
Muskelkraft entscheidet im Alter über Selbstständigkeit. Krafttraining ist Pflicht – Kreatin kann die Effekte messbar verstärken.
Kreatin 101: Was es ist – und warum es im Alter zählt
Kreatin ist eine natürlich vorkommende Substanz, die überwiegend in der Muskulatur gespeichert wird. Sie hilft, die Energiespeicher (ATP) für kurze, intensive Belastungen rasch wiederherzustellen. Dadurch unterstützt Kreatin vor allem kräftige Muskelkontraktionen und die Qualität von Krafttraining. Die am besten untersuchte Form ist Kreatin-Monohydrat – sie gilt als Goldstandard hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit, u. a. laut Positionspapier der ISSN und einer aktuellen Übersichtsarbeit der Journal of the International Society of Sports Nutrition.
Über die Ernährung (v. a. Fleisch/Fisch) nehmen wir typischerweise etwa 1–2 g Kreatin-Äquivalent pro Tag auf. Vegetarisch oder vegan lebende Menschen haben häufig niedrigere Muskel-Kreatinspeicher und sprechen auf eine Supplementierung oft besonders gut an, wie eine systematische Übersichtsarbeit zeigt (Vegetarier-Review).
Kreatin recycelt Energie in der Muskulatur. Monohydrat ist die am besten belegte Form – Vegetarier/Veganer profitieren oft besonders.
Was die Studien bei Älteren zeigen: Kraft, Muskelmasse, Funktion
Die Kurzfassung: Mit regelmäßigem Widerstandstraining (RT) verstärkt Kreatin die Zuwächse bei fettfreier Masse, Maximalkraft und teils auch funktionellen Tests (z. B. schnelleres Aufstehen vom Stuhl) im Vergleich zu Training allein. Meta-Analysen berichten robuste Vorteile, u. a. +~1 kg fettfreie Masse und Verbesserungen bei Bein- und Brustpresse (Nutrients-Metaanalyse 2021; Metaanalyse zu älteren Erwachsenen). Bei Frauen zeigen Interventionen ab ~24 Wochen klarere Kraftgewinne – sowohl für Ober- als auch Unterkörper (Female-spezifische Metaanalyse).
Ohne Widerstandstraining sind die Effekte dagegen gemischt bis minimal – Kreatin ersetzt kein Training (Narrative Übersicht).
Knochen: In einer großen, zweijährigen RCT bei postmenopausalen Frauen zeigte Kreatin keine Zunahme der Knochendichte (BMD), aber günstige Veränderungen der Geometrie am Schenkelhals (z. B. Section Modulus) und eine kleine Verbesserung der Gehgeschwindigkeit – interessant, aber sekundär gegenüber den Muskel-Ergebnissen (RCT-Abstract, Open-Access-Artikel).
Kreatin wirkt „on top“ zum Krafttraining: mehr Kraft, mehr Magermasse, bessere Funktion. Ohne Training bleiben Effekte begrenzt.
Was ist in der EU/Deutschland erlaubt zu behaupten?
- Artikel 13.1 (allgemein): „Kreatin erhöht die körperliche Leistung bei aufeinanderfolgenden, kurzzeitigen, hochintensiven Übungen“ – unter der Bedingung 3 g/Tag, adressiert an Erwachsene, die hochintensive Übungen ausführen (EU-Verordnung 432/2012, konsolidiert).
- Artikel 13.5 (gezielt für >55 Jahre): „Die tägliche Einnahme von Kreatin kann die Wirkung eines Widerstandstrainings auf die Muskelkraft bei Erwachsenen über 55 Jahren verstärken.“ Bedingungen: mind. 3 g/Tag, Training ≥3×/Woche über mehrere Wochen bei 65–75 % 1RM (EFSA-Gutachten, EFSA Journal).
Wichtig für die Kommunikation: Diese Claims dürfen nur unter den genannten Bedingungen verwendet werden, und sie adressieren Leistung/Kraft – nicht die Behandlung von Krankheiten.
EU-Claims: 3 g Kreatin/Tag. Für >55 gilt: täglich + regelmäßiges RT (≥3×/Woche, 65–75 % 1RM) – dann ist die Kraft-Claim erlaubt.
Dosier-Playbook für die Prävention von Muskelschwund
Wählen Sie eine Variante – und bleiben Sie dabei
- Tägliche Steady-State-Einnahme (einfach): 3–5 g Kreatin-Monohydrat 1×/Tag mit Wasser oder zu einer Mahlzeit; Sättigung in ~3–4 Wochen. Gut verträglich für den Magen-Darm-Trakt (JISSN-Review).
- Klassisch: Laden + Erhalten (schnell): 20 g/Tag in 4 Dosen für 5–7 Tage, dann 3–5 g/Tag. Metaanalysen deuten bei Älteren, die trainieren, teils schnellere Kraftgewinne an (Forbes et al.).
- Körpergewichts-bezogen (präzise): Laden ~0,3 g/kg/Tag, dann 0,03–0,1 g/kg/Tag erhalten. Praktisch für sehr leichte/schwere Personen (Dosisübersicht).
Timing: Konstanz schlägt Uhrzeit. Ein kleiner Vorteil ist möglich, wenn Sie Kreatin zusammen mit einer Protein-/Kohlenhydrat-Mahlzeit oder direkt nach dem Training nehmen – Pflicht ist es nicht (Timing-Review).
Trainingstage vs. täglich: Für die >55‑Claim verlangt EFSA tägliche Einnahme plus RT. Analysen zeigen zwar auch Vorteile bei Einnahme nur an Trainingstagen, aber für >55 ist „täglich + RT” die sichere, claim-konforme Variante (EFSA; Forbes et al.).
Form: Kaufen Sie Kreatin-Monohydrat. „Neue“ Formen (HCl, Ethylester) sind für Alltag und Sicherheit weniger gut belegt (ISSN-Positionspapier).
3–5 g Monohydrat/Tag reichen. Laden beschleunigt nur den Start. Tägliche Einnahme ist für die >55‑Kraft-Claim entscheidend.
Das Training, das Kreatin „wirksam“ macht
Minimalrezept gemäß EFSA-Claim: Widerstandstraining ≥3×/Woche, moderat (65–75 % 1RM), progressiv (Reps/Sätze/Last steigern) (EFSA).
12‑Wochen‑Vorlage (3 Einheiten/Woche)
- Übungen (6–8): Sit-to-Stand oder Goblet Squat; Hüftbeuge/ Romanian Deadlift; Beinpresse; Step-ups; Brustpresse/Push-up; Ruderzug; Schulterdrücken; Wadenheben.
- Sätze/Wdh.: 2–3×8–12; die letzten 2–3 Wdh. fordernd, aber sauber. Erhöhen Sie das Gewicht, sobald 12 gute Wdh. gelingen.
- Progression: Alle 2 Wochen Belastungen neu prüfen; Trainingstagebuch führen.
- Funktion messen (monatlich): 30‑s‑Chair‑Stand, 4–5 m Gehgeschwindigkeit, Handkraft (EWGSOP2 betont Kraft als Kernmerkmal: Konsensus).
Protein-Synergie: 1,0–1,2 g Protein/kg/Tag (bei Krankheit/Mangelernährung 1,2–1,5 g/kg/Tag) – über die Mahlzeiten verteilt. Das unterstützt Anpassungen mit und ohne Kreatin (PROT‑AGE; ESPEN-Empfehlung).
Trainieren Sie 3×/Woche vollkörperorientiert, steigern Sie progressiv und prüfen Sie monatlich Funktion. Protein decken – dann kann Kreatin sein Potenzial entfalten.
Wer profitiert am meisten – und wer eher nicht?
- Wahrscheinliche Responder: Personen mit regelmäßigem RT; vegetarisch/vegan oder „pflanzenbetont“; ältere Erwachsene mit niedrigerem Ausgangs-Kreatin in der Muskulatur; alle, die funktionelle Ziele (Chair-Stand, Gehtempo) verbessern möchten (Vegetarier-Review).
- Mögliche Non-Responder: sehr gut „vorgesättigte“ Allesesser oder Personen ohne Training – Erwartungen realistisch halten.
Sicherheit, Nebenwirkungen und medizinische Hinweise (DE/EU)
Gesamtsicherheit: Die Evidenz stützt eine gute Verträglichkeit bei gesunden Erwachsenen – auch über lange Zeiträume. Die häufigsten Effekte sind kleines, frühes Körpergewichtsplus (intrazelluläres Wasser) und gelegentliche Magen-Darm-Beschwerden; Letztere lassen sich durch Aufteilung der Dosis und Einnahme mit Mahlzeiten reduzieren (Sicherheitsanalyse 2025).
Nieren: RCTs/Reviews zeigen bei Gesunden keine Nierenschädigung in empfohlenen Dosierungen. Kreatinin (Abbauprodukt) kann scheinbar die eGFR senken; bei Unklarheit eGFR auf Basis von Cystatin‑C erwägen. Bei diagnostizierter Nierenerkrankung: vorab ärztlich klären (Meta-Analyse Niere; RCT mit Biomarkern).
Koffein: Daten sind gemischt. Wenn Sie unsicher sind, trennen Sie höhere Koffeinmengen zeitlich von Kreatin (z. B. Koffein vor und Kreatin nach dem Training), besonders während einer Ladephase (Systematisches Review).
Stoffwechsel im Blick: Eine vertiefende Einordnung zu Kreatin, Blutzucker und Insulinsensitivität finden Sie im Beitrag Kreatin, Blutzucker & Insulinsensitivität.
Haarausfall‑Mythos: basiert überwiegend auf einer kleinen Studie bei Rugbyspielern mit erhöhtem DHT; ein kausaler Zusammenhang zu Haarausfall ist nicht belegt (Rugby-RCT; Evidenz‑Update).
Hydration: Normale Flüssigkeitszufuhr genügt; Wasserverlagerungen in die Muskulatur sind zu Beginn üblich und unproblematisch bei Gesunden (Sicherheitsanalyse).
Medikamente/Komorbiditäten: Bei CKD, Diuretika/nephrotoxischen Medikamenten oder komplexer Multimorbidität bitte vorab Rücksprache mit Arzt/Ärztin.
Für Gesunde gilt Kreatin als sicher. Bei Nierenerkrankungen vorab ärztlich beraten lassen; GI-Beschwerden durch Dosisaufteilung/mit Mahlzeit mindern.
Produktqualität und Einkauf in Deutschland
- Worauf achten? „Creatine Monohydrate“ auf dem Etikett, idealerweise chargengetestet (z. B. Einträge in der Kölner Liste). Creapure (Made in Germany) steht für hohe Reinheit und wird streng kontrolliert (Qualitätsinformationen zu Creapure).
- EU‑Claim auf dem Label: Produkte mit einer >55‑Kraft-Claim müssen die Bedingungen klar benennen (täglich 3 g + RT ≥3×/Woche bei 65–75 % 1RM). Prüfen Sie die korrekte Formulierung (EU-Health-Claims‑Liste).
- Praktikabilität: Pulver ist günstiger, Kapseln/ Tabletten komfortabel. Trocken lagern; angerührtes Pulver zeitnah trinken.
- Longevity‑Kollektion: Eine kuratierte Auswahl passender Produkte finden Sie in unserer Longevity‑Kollektion.
Ihr 8‑Wochen‑Starterplan (Schritt für Schritt)
- Woche 1 (optional laden): 4×5 g/Tag für 5–7 Tage, parallel Start RT 3×/Woche. Bei empfindlichem Magen: Laden überspringen und direkt zu steady 3–5 g/Tag.
- Wochen 2–8: täglich 3–5 g Kreatin; RT 3×/Woche gem. Vorlage; Protein 1,0–1,2 g/kg/Tag; Chair‑Stand & Handkraft wöchentlich notieren.
- Weiter so: Wenn gut vertragen und Sie dranbleiben: als Lebensstil beibehalten. Nach 12 Wochen Fortschritt prüfen (Kraft, Funktion, Adhärenz).
- Stoppen/ärztlich klären, wenn: neue/verschlimmerte Ödeme, bekannte Nierenprobleme oder auf Anraten der behandelnden Klinik.
Zusatzmaterial
Checkliste: Passt Kreatin zu mir?
- Ich trainiere 3×/Woche mit Gewichten (oder starte jetzt).
- Meine Proteinzufuhr liegt bei 1,0–1,2 g/kg/Tag (oder ich plane das).
- Ich esse wenig Fleisch/Fisch oder bin vegetarisch/vegan.
- Keine bekannte Nierenerkrankung/komplexe Medikation – sonst vorab Arzt/Ärztin fragen.
Label‑Decoder: Was bedeuten die EU‑Claims?
„Erhöht die Leistung bei kurzzeitigen, hochintensiven Belastungen (3 g/Tag)“ – allgemeiner Claim (13.1). „Tägliches Kreatin kann den Trainingseffekt auf Muskelkraft bei >55 verstärken (3 g/Tag + RT ≥3×/Woche, 65–75 % 1RM)“ – spezifischer Claim (13.5). Quelle: EU‑Verordnung 432/2012, EFSA‑Gutachten.
Kognition?
Erste Metaanalysen zeigen gemischte, teils positive Signale bei Gedächtnis/Verarbeitungsgeschwindigkeit; noch kein primärer Grund zur Einnahme im Alter (Meta zu Gedächtnis; Aktuelle Übersicht).
Take‑aways
- Für Menschen ab 55 kann tägliches Kreatin (3–5 g) plus progressives RT ≥3×/Woche bei 65–75 % 1RM die Kraft stärker verbessern als Training allein – ein EU‑autorisierter Claim unter definierten Bedingungen (EFSA, EU‑Verordnung).
- Monohydrat kaufen; es ist umfassend belegt und für Gesunde sicher. Bevorzugen Sie drittgeprüfte Produkte, häufig in der Kölner Liste gelistet.
- Kreatin ist ein Multiplikator für Training + Protein – keine Wunderpille. Fortschritte über Chair-Stand, Handkraft und Gehtempo sichtbar machen.