NMN in Humanstudien: Was wir wissen – und was wir noch nicht wissen
Leila WehrhahnAktualisiert:NMN vs. Erwartung: Was zeigen Humanstudien 2021–2025 wirklich? Nicotinamid-Mononukleotid (NMN) hat in den letzten Jahren als NAD+-Vorstufe enorme Aufmerksamkeit erhalten. Die Hoffnung: mehr zelluläre Energie, aktivere Sirtuine/PARPs und damit gesünderes Altern. Die Frage: Was davon ist in Humanstudien belegt – und was bleibt (noch) offen? In diesem Guide fassen wir die randomisierten Studien, Biomarker-Daten, erste krankheitsspezifische Prüfungen, Sicherheit, Studien-Dosierungen, praktische Hinweise und die Rechtslage in Deutschland/EU zusammen – nüchtern, evidenzbasiert und anwendungsnah. (Quelle: pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
NMN erhöht in mehreren RCTs zuverlässig NAD+-Marker im Blut und zeigt punktuelle Funktionssignale – robuste, langfristige Gesundheits- oder Langlebigkeitsdaten beim Menschen fehlen jedoch. In der EU ist NMN derzeit nicht als Nahrungsergänzung zugelassen.
NMN, NAD+ – und warum Langlebigkeits-Fans hinschauen
NMN ist eine direkte Vorstufe in der NAD+-Salvage-Route. NAD+ treibt zentrale Redoxprozesse der Energiebereitstellung an und dient als Substrat für sirtuin- und PARP‑Enzyme; seine Spiegel nehmen mit dem Alter häufig ab. Dass NAD+ biologisch bedeutsam ist, ist unstrittig – doch die Details, wie oral aufgenommenes NMN im Menschen in Gewebe gelangt und dort umgesetzt wird, werden weiter erforscht. Übersichtliche Mechanismen-Reviews und neuere Arbeiten diskutieren die Salvage-Route, die Rolle von NAMPT/CD38 und offenen Fragen zu Gewebeaufnahme und Fluss. (Quelle: onlinelibrary.wiley.com)
Beim Menschen steigert orale NMN-Gabe in mehreren Studien NAD+ im Vollblut und/oder nachgelagerte Metabolite. Dennoch sind Gewebeeffekte uneinheitlich: Methodisch wird mal Vollblut, mal PBMC, seltener Gewebe analysiert; Messverfahren reichen von LC/LC‑MS bis sensorgestützten Assays – und sind unterschiedlich sensitiv. (Quelle: pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
NAD+ ist ein Schlüsselmolekül; NMN speist überwiegend die Salvage-Route. Blutwerte steigen zuverlässig, Gewebeeffekte sind methoden- und populationsabhängig.
Die Human-Evidenz im Überblick (2021–2025)
- NAD+-Biomarker (Vollblut, PBMC, Plasma)
- Stoffwechsel/Insulinsensitivität
- Gefäßfunktion/Blutdruck
- Körperliche Leistungsfähigkeit, Müdigkeit, Schlaf
- Krankheitsspezifische Settings (z. B. COVID‑19 mit frühem AKI)
Typische Studiendauern: 2–12 Wochen; Dosierungen: 250–2.000 mg/Tag (teils pharmazeutische Qualität als MIB‑626). (Quelle: linkspringer.com)
Was wir wissen: zentrale Ergebnisse aus Humanstudien
4.1 NAD+-Biomarker
Mehrere RCTs zeigen dosisabhängige Anstiege von Blut‑NAD+ bzw. Metaboliten nach oraler NMN‑Gabe (250–900 mg/Tag über 60 Tage) sowie mit MIB‑626 (1.000 mg 1–2×/Tag über 14–28 Tage). Besonders ab ~600 mg sind konsistente Anstiege dokumentiert; die individuelle Antwort variiert jedoch deutlich. Post‑hoc‑Analysen aus 2024 betonen diese Variabilität und einen Dosis‑Trend. Hinweis: Vollblut‑NAD+ muss Gewebespiegel nicht exakt widerspiegeln; Messverfahren (HPLC‑MS versus sensorgestützte Assays) unterscheiden sich. (Quelle: pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
NMN „trifft“ den Zielweg: Blut‑NAD+ steigt meist zuverlässig, aber die Höhe des Anstiegs ist von Person zu Person sehr unterschiedlich.
4.2 Stoffwechselgesundheit und Insulinsensitivität
Goldstandard‑Clamp‑RCT (10 Wochen; 250 mg/Tag) bei übergewichtigen, postmenopausalen Frauen mit Prädiabetes: verbesserte muskuläre Insulinsensitivität und Insulin‑Signalwege, ohne Änderungen bei Gewicht, Lipiden oder hepatischer Insulinsensitivität. Methodische Debatten (Baseline‑Unterschiede) bestehen, die Kernbefunde werden jedoch häufig zitiert. Demgegenüber fand eine Meta‑Analyse von acht RCTs (n=342; 250–2.000 mg/Tag; 2–12 Wochen) in überwiegend gesunden Erwachsenen keine signifikanten Effekte auf Nüchternglukose, Insulin, HbA1c, HOMA‑IR oder Lipide – Heterogenität und kurze Dauer inklusive. Ein 28‑Tage‑Physiologie‑Studie mit MIB‑626 (übergewichtig/ adipös, mittleres/ höheres Alter) zeigte Explorationssignale: −1,9 kg Körpergewicht, niedrigere diastolische RR und LDL/ Gesamtcholesterin versus Placebo. (Quelle: science.org)
4.3 Gefäßfunktion und Blutdruck
Ein 12‑Wochen‑RCT (125 mg 2×/Tag; n=36) berichtete Trends zu geringerer arterieller Steifigkeit (baPWV) – ausgeprägter in Subgruppen mit höherem BMI/Glukose, Signifikanz jedoch nicht durchgehend. Zusätzlich deuten kleine, nicht randomisierte Daten bei Hypertonie auf Blutdrucksenkung unter 800 mg/Tag über sechs Wochen hin; parallel stiegen NAD+‑Marker. Diese Beobachtungen sind hypothesengenerierend und benötigen Bestätigung in RCTs. (Quelle: pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
4.4 Körperliche Leistung, Müdigkeit und Schlaf
Bei Amateur‑Läufern verbesserte NMN (300–1.200 mg/Tag, 6 Wochen) ventilatorische Schwellen (aerobe Kapazität) dosisabhängig, nicht jedoch Spitzenleistung. In zwei 12‑Wochen‑Studien bei Älteren (typisch 250 mg/Tag) wurden schnellere Gehzeiten und Verbesserungen in PSQI‑Teilskalen berichtet; eine Studie fand zeitabhängige Vorteile der Nachmittags‑ gegenüber Morgengabe für Unterkörperfunktion und Tagesschläfrigkeit (Effektgrößen moderat). (Quelle: jissn.biomedcentral.com)
4.5 Krankheits‑Settings (frühe Signale; keine Langlebigkeitsendpunkte)
Hospitalisierte COVID‑19‑Patienten mit frühem AKI: 14 Tage MIB‑626 (1 g 2×/Tag) erhöhten NAD+ im Blut sicher, ohne Vorteile gegenüber Placebo für Nieren- oder Entzündungsendpunkte (für Outcomes unterpowert). Parallel laufen/registriert sind Flux‑/Tracerstudien (markiertes NMN/NAM) sowie Programme z. B. zur Alzheimer‑Erkrankung; belastbare Ergebnisse stehen aus. (Quelle: pmc.ncbi.nlm.nih.gov)
Für Biomarker ist das Bild positiv; funktionelle Effekte sind bislang klein bis moderat und populationsabhängig. Harte klinische Endpunkte fehlen.
Sicherheit: Was sagen Humandaten bisher?
Über RCTs bis 12 Wochen und Dosierungen von 250–2.000 mg/Tag wurde NMN überwiegend gut vertragen; Nebenwirkungsraten lagen nahe Placebo, Laborwerte (inkl. Leberenzyme) blieben stabil. Auch pharmazeutisches MIB‑626 zeigte in Kurzzeitstudien eine gute Verträglichkeit. (Quelle: pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
Onkologische Vorsicht: Reviews beschreiben bidirektionale Rollen von NAD+/Sirtuinen in der Tumorbiologie. Es gibt keine Humanhinweise, dass kurzzeitige NR/NMN‑Gaben die Krebsinzidenz steigern; dennoch ist bei aktiver Krebserkrankung oder hohem Risiko Zurückhaltung ratsam. Betroffene sollten eine Einnahme ausschließlich nach Rücksprache mit ihrer Onkologin/ihrem Onkologen erwägen. (Quelle: pmc.ncbi.nlm.nih.gov)
Unbekannte: fehlende Langzeitdaten (>12 Monate), Schwangerschaft/Stillzeit, mögliche Interaktionen bei Polypharmazie.
Dosierungen in Studien, Einnahmezeitpunkt und Formulierungen
In RCTs wurden meist 250–900 mg/Tag eingesetzt (teils bis 2.000 mg/Tag kurzfristig). Eine Studie bei Älteren zeigte leichte Vorteile der Nachmittags‑ gegenüber der Morgeneinnahme – das ist interessant, aber noch nicht repliziert. (Quelle: pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
Formulierungsqualität: Unabhängige Analysen 2024 fanden bei frei verkäuflichen NMN‑Produkten teils starke Abweichungen vom Etikett (0–104 % des deklarierten Gehalts). Achten Sie auf aktuelle COAs (Chargenzertifikate) und Drittanbieter‑Tests; NMN ist sensibel gegenüber Hitze und basischen Bedingungen und kann zu Nikotinamid (NAM) degradieren. (Quelle: link.springer.com)
Pharmakokinetik: 2023 wurden nach 250 mg/Tag messbare Anstiege von Plasma‑NMN und NAD+ gezeigt – mit hoher interindividueller Streuung. (Quelle: clinicalnutritionespen.com)
Studien nutzen überwiegend 250–900 mg/Tag. Produktqualität schwankt stark – geprüfte Qualität und kühle, trockene Lagerung sind wichtig.
Was wir (noch) nicht wissen
- Langlebigkeit: Es gibt keine Humanstudie, die Lebensspanne verlängert oder altersbedingte Erkrankungen verhindert.
- Gewebespezifität: Ob Blut‑NAD+‑Anstiege in nachhaltige, relevante Veränderungen in Muskeln, Gehirn oder Gefäßen übersetzen, ist offen; Messungen variieren (Blut vs. Gewebe). (Quelle: pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
- Wer profitiert wie? Alter, metabolischer Status, Ausgangs‑NAD+, optimale Dosis/Dauer, mögliche Zyklen (zyklisch oder dauerhaft) – vieles ist ungeklärt. Tracer‑/Flux‑Studien sollen hier Licht bringen. (Quelle: trial.medpath.com)
Rechtslage in Deutschland/EU – und der US‑Kontext
EU/Deutschland: NMN gilt als Novel Food und steht (Stand: September 2025) nicht auf der Unionsliste zugelassener neuartiger Lebensmittel; Vertrieb als Nahrungsergänzung ist damit in der EU nicht zulässig. Prüfen Sie die aktuelle Unionsliste für Updates.
NR (Nicotinamid‑Ribosid‑Chlorid): ist in der EU als Novel Food für bestimmte Anwendungen (u. a. Nahrungsergänzungen bis festgelegter Höchstmenge) zugelassen; siehe EFSA‑Gutachten. (Quelle: eur-lex.europa.eu)
USA: Die FDA vertritt seit 2022 die Auffassung, dass NMN wegen laufender Arzneimittelentwicklung nicht als Nahrungsergänzung vermarktet werden darf. Gerichtliche Verfahren und Petitionen führten zu einer Phase eingeschränkter Durchsetzung; die Lage bleibt dynamisch. Für EU‑Käufer zählt die EU‑Rechtslage. (Quelle: nutraceuticalsworld.com)
Praktische Checkliste für Leserinnen und Leser in Deutschland
- Ärztlich besprechen: insbesondere bei Tumor‑Anamnese, Schwangerschaft/Stillzeit oder Polypharmazie.
- Lebensstil zuerst: Regelmäßige Bewegung, Schlafhygiene, Gewichts‑/Stoffwechselmanagement stützen NAD‑Wege und sind rechtlich unproblematisch. (Quelle: onlinelibrary.wiley.com)
- Zulässige Alternativen: In der EU ist NR (Nicotinamid‑Ribosid‑Chlorid) als Novel Food zugelassen (Einsatzgrenzen beachten). Qualität trotzdem prüfen (COA, Drittlabor, GMP).
Eine kuratierte Übersicht relevanter Produkte rund um Langlebigkeit finden Sie in unserer Longevity‑Kollektion.
Produkt‑Qualitätscheck (für jede NAD+-Vorstufe sinnvoll)
- Aktuelles COA eines unabhängigen Labors (Chargennummer!), Wirkstoffgehalt idealerweise ±10 % der Deklaration.
- Stabilität: feuchtigkeitsdicht versiegelte Verpackung, lichtgeschützt, kühl/trocken lagern; Hitze und basische Bedingungen beschleunigen die NMN‑Degradation zu NAM. (Quelle: academic.oup.com)
- Transparenz: Herstelleradresse, Produktionsstandort, GMP‑Hinweise.
Selbst‑Monitoring (informativ, nicht medizinisch)
- Einfache Parameter: Ruhepuls/Blutdruck, subjektive Energie/Müdigkeit, Schlaf (PSQI), Gehstrecke in 6 min.
- Optional: konsistent erhobene Vollblut‑NAD+‑Assays – mit Blick auf Methodenlimitationen und hohe individuelle Streuung. (Quelle: link.springer.com)
Kurzinfo für Athletinnen und Athleten in Deutschland
NMN ist in der WADA‑Verbotsliste 2025 nicht namentlich aufgeführt. Athleten tragen jedoch Eigenverantwortung für alles, was sie einnehmen. Nutzen Sie nur streng geprüfte Produkte und konsultieren Sie Teamärztin/Teamarzt bzw. NADA.
Bottom line
Fazit der Humanstudien 2021–2025: NMN erhöht zuverlässig NAD+‑Biomarker im Blut und zeigt frühe Signale in bestimmten Endpunkten (z. B. Muskel‑Insulinsignaling in einem Prädiabetes‑RCT mit Frauen; moderate Effekte bei Gefäßparametern, Leistung und Schlaf in kleinen Studien). Meta‑Analysen in überwiegend gesunden Erwachsenen finden jedoch keine klaren Vorteile auf Standardmarker von Glukose/Lipiden. Langzeit‑, krankheitsrelevante und Langlebigkeitsendpunkte fehlen. Qualität und (in der EU) Rechtslage sind derzeit die größten praktischen Limitierungen. Sinnvoll: bewährte Lebensstilstrategien priorisieren, zugelassene Alternativen erwägen, und die Ergebnisse laufender Tracer‑ und Krankheitsstudien abwarten. (Quelle: pubmed.ncbi.nlm.nih.gov)
Dieser Beitrag dient der Information und ersetzt keine medizinische Beratung. NMN ist in der EU nicht als Nahrungsergänzung zugelassen.