Kreatin: Mehr Energie und stärkere kognitive Resilienz

Leila WehrhahnAktualisiert:

Montagmorgen, Termindruck, zu wenig Schlaf – der Griff zur dritten Tasse Kaffee liegt nahe. Doch neben Koffein gibt es einen weiteren, gut erforschten Energielieferanten im Hintergrund: Kreatin. Als natürlicher Bestandteil von Muskel und Gehirn wirkt es wie ein kleiner Energiespeicher für Momente hoher Belastung. Dieser Guide erklärt, was Kreatin für Energie und mögliche mentale Belastbarkeit bedeuten kann – evidenzbasiert, EU‑konform und praxisnah für den Alltag in Deutschland.

Warum Kreatin für die zelluläre Energie wichtig ist – auch im Gehirn

Kreatin arbeitet im Duo mit Phosphokreatin (PCr) als schneller ATP‑Puffer. Wenn Zellen – ob Muskel oder Neuron – abrupt viel Energie benötigen, liefert das PCr‑System in Sekundenbruchteilen Phosphatgruppen, um ATP rasch zu regenerieren. Dieses „ATP–Phosphokreatin‑Shuttle“ ergänzt die langsameren oxidativen Stoffwechselwege, indem es kurzfristige Energiespitzen abfedert. Forschung zeigt: Die Mechanik ist nicht auf Muskeln beschränkt; auch Nervenzellen nutzen das System, insbesondere bei kurzzeitig hohen Anforderungen. Übersetzt heißt das: In Stressmomenten kann das PCr‑System helfen, die Energieversorgung stabil zu halten. Gute Übersichtsarbeiten zur Physiologie und Praxis kommen von der International Society of Sports Nutrition und erläutern Sicherheit, Dosierung und Form von Kreatin‑Monohydrat, das als Goldstandard gilt. Sie betonen auch, dass PCr die ATP‑Resynthese wesentlich schneller ermöglicht als die aeroben Wege – genau dann, wenn Sekunden zählen. Siehe die ausführliche Darstellung in der ISSN‑Positionsstellung.

Was bedeutet das fürs Gehirn? Magnetresonanzspektroskopie beim Menschen zeigt: Bei höherer Zufuhr steigt der Kreatinspiegel in einzelnen Hirnregionen messbar an. Dieser Anstieg erfolgt langsam über Wochen und ist individuell unterschiedlich – einige Personen reagieren stärker als andere. Frühere Arbeiten (z. B. Dechent et al.) dokumentierten, dass Wochen stetiger Einnahme nötig sind, um Veränderungen in der Hirnchemie zu sehen. Details liefert die Originalstudie von Dechent et al. im American Journal of Physiology.

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Kreatin/Phosphokreatin puffert schnelle Energiespitzen – in Muskeln und Nervenzellen. Das Gehirn nimmt Kreatin auf, aber langsam über Wochen; Reaktionen fallen individuell aus.

Was die Evidenz zu Kognition und Gehirnfunktion sagt

Das Gesamtbild ist gemischt. Kleine RCTs zeigen teilweise Vorteile – z. B. bei Vegetarier:innen (geringere Ausgangsspeicher), älteren Erwachsenen oder unter Schlafentzug. So berichteten Rae et al., dass Vegetarier:innen in bestimmten Gedächtnisaufgaben profitierten (Proc. Royal Society B). Benton & Donohoe beobachteten ebenfalls Effekte in Gruppen mit potenziell niedrigen Kreatinspeichern (PubMed‑Eintrag). Unter Schlafentzug – einem realen Alltagsstress – fanden Studien selektive Vorteile bei Arbeitsgedächtnis und Reaktionszeit, allerdings mit hohen Kurzzeitdosen, nicht mit Alltagsmengen (Studie zu Schlafentzug). Gleichzeitig zeigen größere, aktuelle Studien an gesunden, ausgeschlafenen Erwachsenen häufig keine konsistenten Vorteile, z. B. ein umfangreiches RCT in BMC Medicine (BMC Medicine RCT 2023).

Wichtig für die rechtliche Einordnung in Deutschland: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kam im November 2024 zu dem Ergebnis, dass für die Allgemeinbevölkerung bei 3 g/Tag kein kausaler Zusammenhang zwischen Kreatin und verbesserter kognitiver Funktion belegt ist. Deshalb dürfen in der EU keine allgemeinen Kognitions‑Health‑Claims für Kreatin gemacht werden. In redaktionellen Texten ist daher eine vorsichtige Sprache notwendig – z. B. „kann die Gehirn‑Energieversorgung unterstützen“ – immer mit klarer Quellenangabe. Siehe die EFSA‑Stellungnahme 2024.

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Unter speziellen Bedingungen (Schlafentzug, niedrige Basisspeicher, höheres Alter) gibt es positive Signale, bei gut erholten Gesunden jedoch oft keine Effekte. In der EU sind allgemeine Kognitions‑Claims für Kreatin nicht zugelassen.

Gehirn‑Resilienz vs. Gehirnkrankheiten – Unterschiede kennen

Kreatin wird oft mit „Resilienz“ in Verbindung gebracht: Situationen wie kurzer Schlaf, hoher kognitiver Workload oder altersbedingte Energiemängel sind plausible Einsatzfelder, die mechanistisch gut begründet und teilweise auch humanexperimentell gestützt sind (Übersichtsarbeit zu Kreatin & Gehirn). Anders sieht es bei Krankheiten aus: Ein großes, langfristiges RCT bei Parkinson (10 g/Tag) zeigte keine Verlangsamung der Krankheitsprogression; folglich sind Krankheits‑ oder Therapieaussagen zu vermeiden (Parkinson‑Studie). Auch zu Schädel‑Hirn‑Trauma existieren nur kleine Pilotdaten (kindliche Population), die keine allgemeine Empfehlung erlauben (Pilotstudie TBI).

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Für Belastbarkeit im Alltag gibt es rationale Gründe und erste Hinweise. Für Krankheiten wie Parkinson liegen keine Wirksamkeitsbelege vor; keine Therapie‑Claims.

Sichere und praktische Protokolle (für gesunde Erwachsene)

Alltag/„Longevity“-Baseline

Bewährt hat sich 3–5 g Kreatin‑Monohydrat pro Tag, vorzugsweise zu einer Mahlzeit. Da das Gehirn Kreatin langsam aufnimmt, ist eine stetige Einnahme über Wochen sinnvoll. In der EU sind allgemeine Kognitions‑Claims für Kreatin nicht zugelassen; daher bleiben Formulierungen neutral, etwa „unterstützt die Energieversorgung“. Detaillierte Hintergründe und Sicherheitsdaten in der ISSN‑Positionsstellung.

Loading vs. „No‑Loading“

  • Loading: 20 g/Tag in 4 Dosen für 5–7 Tage beschleunigt die Muskelsättigung; die Gehirnwerte steigen dennoch über Wochen. Magen‑Darm‑Beschwerden sind in dieser Phase häufiger (ISSN).
  • No‑Loading: 3 g/Tag für ≥28 Tage erhöht die Speicher graduell und meist mit besserer Verträglichkeit (ISSN).

„Stress‑Events“ (Kontext, keine Empfehlung)

Studien, die Effekte unter Schlafentzug beobachteten, nutzten hohe Kurzzeitdosen (~20 g/Tag für ca. eine Woche oder eine einzelne große Akutdosis von ~0,35 g/kg). Ohne ärztliche Begleitung sollte man solche Protokolle nicht nachahmen, zumal sie nicht den zugelassenen Alltagsdosen entsprechen (Schlafentzug‑Studien).

Timing, Co‑Ingestion, Koffein

  • Mit Kohlenhydraten/Protein kann die Retention verbessert werden; geteilte Dosen reduzieren Magen‑Darm‑Unbehagen. Auf gute Hydrierung achten (ISSN).
  • Koffein‑„Stacking“: Daten sind gemischt; bei Sensitivität Einnahmen um einige Stunden trennen und individuell reagieren (Review zu Koffein‑Interaktion).
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Alltagstauglich sind 3–5 g/Tag Kreatin‑Monohydrat zu einer Mahlzeit. Loading beschleunigt nur die Muskelsättigung. Hohe Kurzzeitdosen gehören in Studienhände.

Sicherheit: Was Menschen in Deutschland wissen sollten

Für gesunde Erwachsene gilt Kreatin‑Monohydrat in den üblichen Dosierungen als gut untersucht und sicher – auch langfristig. Typisch ist ein leichter, vorübergehender Anstieg des Körpergewichts (Wasserretention) sowie gelegentliche Magen‑Darm‑Beschwerden, vor allem bei großen Einzelgaben. Praktisch: mit 3 g/Tag beginnen und nur bei Bedarf steigern (ISSN‑Positionspapier).

Laborkontrollen: Serum‑Kreatinin kann durch Kreatin‑Einnahme artefiziell steigen, ohne dass eine Nierenschädigung vorliegt. Falls eine Kontrolle gewünscht ist, kann zusätzlich Cystatin C gemessen werden, um die Nierenfunktion genauer abzuschätzen (Methodenpapier zu Cystatin C).

Vorsicht bzw. ärztliche Rücksprache (Hausärztin/Hausarzt) bei bekannter Nierenerkrankung, gleichzeitiger Einnahme potenziell nephrotoxischer Medikamente (z. B. bestimmte NSAIDs) sowie in Schwangerschaft/Stillzeit, da hierzu nur begrenzte Daten vorliegen (Übersichtsartikel zu Sicherheit).

Haarverlust‑Mythos: Eine häufig zitierte Studie bei Rugby‑Spielern fand nach Hochdosis‑Loading ein erhöhtes DHT:T‑Verhältnis; daraus entstand der Mythos vom „Kreatin‑Haarausfall“. Aktuell spricht die Gesamtlage gegen einen kausalen Effekt auf den Haarstatus; direkte Nachweise fehlen. Siehe die Ursprungspublikation (DHT‑Studie 2009).

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Kreatin gilt für Gesunde als sicher. Gewichtszunahmen sind oft Wasser. Kreatinin im Blut kann „pseudo‑ansteigen“; Cystatin C hilft bei der Einordnung.

Produktqualität in Deutschland: Was kaufen – und warum

  • Form zählt: Kreatin‑Monohydrat ist die am besten untersuchte, wirksame und kosteneffiziente Form. „Mikronisiert“ verbessert die Löslichkeit; andere Salze (HCl, Nitrat) zeigen für Gesundheit/Kognition keine überlegenen Ergebnisse (ISSN).
  • Reinheit & Zertifizierung: Bevorzuge Produkte mit Creapure (Herstellung in Trostberg, DE) und/oder Listung auf der Kölner Liste oder Prüfung durch Informed Sport. Meide „Proprietary Blends“. Mehr zu Creapure unter „Was ist Creapure?“ und zur Qualitätssicherung unter „Wie Qualität & Reinheit garantiert werden“; seriöse Produktlisten findest du auf der Kölner Liste und bei Informed Sport.
  • Doping‑Hinweis: Kreatin steht nicht auf der WADA‑Verbotsliste. Trotzdem besteht bei ungetesteten Supplements ein Kontaminationsrisiko – daher zertifizierte Produkte wählen. Aktuelle Liste: WADA Prohibited List.
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Kaufe Kreatin‑Monohydrat, idealerweise als Creapure und/oder mit Listung auf Kölner Liste bzw. Informed Sport. So senkst du Kontaminationsrisiken.

So misst du, was wirklich zählt

  • Subjektiv: Tägliche Skalen für Energie (0–10), mentale Ermüdung, Schlafqualität (kurzes Tagebuch).
  • Objektiv daheim: Reaktionszeit‑Apps, einfache kognitive Aufgaben (z. B. n‑back, Digit Span) wöchentlich; Körpergewicht (als Marker für Hydration/Wasser).
  • Labor (falls medizinisch begleitet): Baseline und nach 8–12 Wochen – Serum‑Kreatinin plus Cystatin C (optional eGFR). Erkläre in der Praxis, dass Kreatinin unter Kreatin‑Supplementierung artefiziell ansteigen kann (Cystatin‑C‑Hinweise).

Ein realistischer 4‑Wochen‑Starterplan (für gesunde Leser:innen)

  • Woche 1: 3 g/Tag zu einer Hauptmahlzeit. Baseline notieren (Energie, mentale Ermüdung, einfacher Kognitionstest).
  • Woche 2–3: 3–5 g/Tag fortführen. Schlaf, Bewegung und Hydrierung pflegen. Wer trainiert, koppelt die Einnahme an die Post‑Workout‑Mahlzeit, um die Routine zu festigen.
  • Woche 4: Werte neu bewerten. Bei guter Verträglichkeit und sportlichem Leistungsziel kann vor einem Event optional 5–7 Tage geladen werden. Für eventuelle Gehirn‑Effekte gilt: Geduld – Veränderungen an Hirn‑Kreatin dauern Wochen bis Monate (MRS‑Daten).

Wichtig: Dieser Plan richtet sich an gesunde Erwachsene, ist keine Krankheitsbehandlung und muss EU‑Claim‑Regeln beachten. Zur regulatorischen Einordnung siehe die EFSA‑Meinung 2024.

EU/Deutschland: Regulatorisches in Kürze

  • Zugelassener EU‑Claim: „3 g Kreatin/Tag erhöhen die körperliche Leistung bei aufeinanderfolgenden, kurzzeitigen, hochintensiven Belastungen.“ Zusätzlich gibt es Evidenz für Kraftzuwächse 55+ in Kombination mit Krafttraining. Details in der EFSA‑Bewertung zu Leistungsansprüchen.
  • Nicht zugelassen: allgemeine Kognitions‑Claims. Die EFSA sah 2024 bei 3 g/Tag für die Allgemeinbevölkerung keinen belegten Ursache‑Wirkungs‑Nachweis (EFSA‑Stellungnahme 2024).
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In der EU ist der Leistungs‑Claim für hochintensive Kurzbelastungen zulässig – Kognitions‑Claims sind es nicht. Formulierungen bleiben entsprechend neutral.

Abschluss & nächste Schritte

Kreatin‑Monohydrat ist ein zuverlässiger Baustein für Energie und Leistungsfähigkeit – und kann im Sinne von Longevity eine pragmatische Ergänzung sein, solange man Erwartungen realistisch hält: Sport‑Claims sind belegt, potenzielle Vorteile für mentale Belastbarkeit betreffen vor allem spezifische Situationen. Wer Vorerkrankungen (v. a. Niere) hat, schwanger/stillend ist, nephrotoxische Medikamente nutzt oder Laborwerte begleiten möchte, sollte die Einnahme vorab mit der Hausärztin/dem Hausarzt besprechen. Nutze den Qualitätscheck (Creapure/Kölner Liste) und ein einfaches eigenes Tracking für Energie, Schlaf und Reaktionszeit – so merkst du, ob Kreatin für dich einen Unterschied macht. Mehr Lesestoff: Moringa – der „Baum des Lebens“.


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FAQ

Muss ich Kreatin zyklisieren?

Nein, dafür gibt es keinen klaren Nutzen. In Studien wird Kreatin häufig kontinuierlich über Monate eingesetzt.

Wann ist die beste Einnahmezeit?

Praktisch ist die Einnahme zu einer Mahlzeit oder nach dem Training – das verbessert oft die Verträglichkeit und hilft bei der Routine.

Kann ich Kreatin mit Kaffee kombinieren?

Meistens ja. Da die Daten zur Wechselwirkung gemischt sind, trenne die Einnahmen um ein paar Stunden, wenn du auf Nummer sicher gehen möchtest.

Wie schnell spürt man Effekte im Gehirn?

Der Kreatingehalt im Gehirn steigt über Wochen. Falls Effekte auftreten, sind sie eher in Stresssituationen oder bei Personen mit niedrigen Basisspeichern zu erwarten.

Welche Form soll ich kaufen?

Kreatin‑Monohydrat (gern mikronisiert) ist am besten untersucht, effektiv und preiswert. Achte auf Qualitätssiegel wie Creapure, Kölner Liste oder Informed Sport.

Ist Kreatin sicher für die Nieren?

Bei Gesunden sprechen Daten für eine gute Sicherheit. Kreatinin kann im Labor scheinbar ansteigen; Cystatin C hilft bei der Einordnung. Bei Nierenerkrankungen vorher ärztlich klären.

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Quellen

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