Der richtige Ginkgo-Extrakt: So erkennen Sie hochwertige, standardisierte Qualität

Leila WehrhahnAktualisiert:

Du stehst im Drogerie‑ oder Apothekenregal: Dutzende Ginkgo‑Produkte, ähnliche Versprechen – aber die Qualität unterscheidet sich drastisch. Dieses praktische Label‑How‑to zeigt dir, wie du in unter 60 Sekunden ein pharmakopöe‑gerechtes, standardisiertes Ginkgo‑Extrakt erkennst – und schwache oder riskante Produkte aussortierst. Das lohnt sich: Eine aktuelle Auswertung publizierter Datensätze schätzt, dass in Studien mehr als die Hälfte der getesteten Ginkgo‑Extraktproben Anzeichen von Verfälschung zeigen. Sie ist nicht zwingend repräsentativ für den gesamten Markt, macht aber deutlich, warum sorgfältige Auswahl zählt. Quelle: Bericht von NutraIngredients über die BAPP‑Übersichtsarbeit (10.09.2024).

TL;DR – Das Wichtigste auf einen Blick

  • Für Arzneiqualität in Deutschland: apothekenpflichtiges Arzneimittel mit „Ginkgo‑Trockenextrakt, raffiniert und quantifiziert“, DER 35–67:1, standardisiert auf 22–27% Flavon‑Glykoside und 5,4–6,6% Terpenlaktone (Ginkgolide A, B, C + Bilobalid), ginkgolsäuren ≤5 ppm. Lösemittel deklariert (Referenz: Aceton 60% m/m). Quelle: Ph. Eur.‑Spezifikation (BP 2013).
  • Nahrungsergänzungsmittel können gut sein – verlange dieselben Spezifikationen und eine aktuelle, chargenbezogene Certificate of Analysis (CoA) eines seriösen Labors.

Was „standardisiertes Ginkgo“ wirklich bedeutet

„Standardisiert“ bezieht sich bei hochwertigen Ginkgo‑Extrakten auf zwei Ankergruppen: erstens die Flavon‑Glykoside (Zielbereich 22–27%) und zweitens die Terpenlaktone (Zielbereich 5,4–6,6%), bestehend aus den Ginkgoliden A, B, C sowie Bilobalid. Diese Bereiche sind in der Europäischen Pharmakopöe (Ph. Eur.) für „Ginkgo‑Trockenextrakt, raffiniert und quantifiziert“ festgelegt – ebenso der Grenzwert für Ginkgolsäuren von maximal 5 ppm, da diese Alkylphenole als problematische Begleitstoffe gelten. Siehe Ph. Eur.‑Monographie.

Wichtig ist außerdem die DER‑Angabe (Drug‑Extract‑Ratio) 35–67:1. Sie zeigt, wie viele Teile Blattmaterial für 1 Teil Extrakt eingesetzt wurden und ist ein Anker, um standardisierte EU‑Referenzextrakte wiederzuerkennen. Das Verhältnis sowie das Referenzlösemittel Aceton 60% m/m sind im Bewertungsbericht des HMPC/EMA dokumentiert: HMPC‑Assessment Report.

Achtung bei internationalen Normen: Während Ph. Eur. den Terpenlaktone‑Bereich eng fasst (5,4–6,6%), lässt die US‑Pharmakopöe (USP) einen breiteren Bereich bis 12% zu. Ein „USP‑konformes“ Supplement kann damit von der in Deutschland für Arzneimittel üblichen Ph. Eur.‑Spezifikation abweichen. Siehe USP‑Monographie „Powdered Ginkgo Extract“ und die Diskussion in Frontiers in Pharmacology (2022).

Deutschland: Arzneimittel vs. Nahrungsergänzung – was ändert sich bei der Qualität?

Apothekenpflichtige Ginkgo‑Arzneimittel mit standardisiertem Extrakt müssen die Ph. Eur.‑Monographie „Ginkgo‑Trockenextrakt, raffiniert und quantifiziert“ erfüllen. Auf der Packung findest du in der Regel: DER 35–67:1, das verwendete Lösemittel (bei Referenzextrakten Aceton 60% m/m), die Bereiche für Flavon‑Glykoside und Terpenlaktone sowie „Ginkgolsäuren ≤5 ppm“. Das sind zugleich die Extrakte, die in den HMPC/EMA‑Dokumenten als „well‑established use“ geführt werden (z. B. HMPC‑Assessment Report).

Nahrungsergänzungsmittel (NEM) können qualitativ mithalten – sie sind jedoch nicht automatisch an die Arzneibuch‑Monographien gebunden. Wer NEM kauft, sollte deshalb die identischen Spezifikationen verlangen (24/6, DER 35–67:1, ≤5 ppm, Lösemittelangabe) und eine aktuelle CoA mit geprüften Gehalten und Grenzwerten fordern.

Label lesen leicht gemacht: Darauf solltest du achten

Must‑haves auf einem vertrauenswürdigen Produkt

  • Botanik & Teil: „Ginkgo biloba Blätter‑Trockenextrakt“.
  • Standardisierung in %: 22–27% Flavon‑Glykoside; 5,4–6,6% Terpenlaktone (oder Konsumenten‑Kurzform „24/6“). Quelle: Ph. Eur.
  • Ginkgolsäuren: ≤5 ppm, explizit genannt oder per CoA bestätigt.
  • DER 35–67:1.
  • Extraktionsmittel angegeben; für EU‑Referenzextrakte typischerweise „Aceton 60% m/m (Aceton‑Wasser)“. Belegt im HMPC‑Bericht.
  • Exakte mg des standardisierten Extrakts pro Tablette/Kapsel und pro Tagesdosis (üblich 120–240 mg/Tag; rein zum Vergleichen).
  • Hersteller/Importeur in der EU, Los‑/Chargennummer, Haltbarkeitsdatum.
  • Für Arzneimittel: Kennzeichnung „apothekenpflichtig“ und PZN.

Nice‑to‑have

  • Unabhängige Labortests erwähnt; aktuelle CoA auf Anfrage.
  • Hinweis „entspricht Ph. Eur.‑Monographie“ oder vergleichbarer Qualitätsnachweis.

Verfälschung und Abkürzungen: Warnzeichen, die du meiden solltest

Häufige Tricks sind das „Aufspiken“ mit günstigen Flavonolen wie Rutin, Quercetin oder Kaempferol, um den Flavon‑Wert zu treffen – ohne die charakteristische Terpen‑Signatur eines echten Ginkgo‑Extrakts. In Studien wurden solche Muster mehrfach nachgewiesen. Beispiele: ATR‑FTIR‑Studie mit PLS‑DA/PCA sowie methodische Arbeiten zu HPLC/HPTLC‑Erkennung.

Weitere Red Flags: Produkte, die nur „24% Flavone“ nennen, aber keine Terpenlaktone, kein DER und kein Lösemittel – das entspricht in der Regel keinem „raffinierten und quantifizierten“ Extrakt. Sehr niedrige Preise im Vergleich zum Markt und fehlende Lieferanten‑Nachvollziehbarkeit sind ebenfalls Warnsignale.

Zur Einordnung: Eine Auswertung publizierter Datensätze schätzt die Verfälschungsrate bei getesteten Ginkgo‑Extraktproben auf rund 56,7%. Die Autoren betonen aber methodische Grenzen und dass die Zahlen nicht für den gesamten Markt stehen – sie unterstreichen vor allem die Notwendigkeit guter Qualitätssicherung. Quelle: NutraIngredients‑Bericht zur BAPP‑Analyse.

Was kannst du konkret tun? Bitte den Anbieter um eine aktuelle CoA mit HPLC/LC‑MS‑Daten zu Ginkgoliden A, B, C und Bilobalid, zu Flavon‑Glykosiden, zu Ginkgolsäuren ≤5 ppm, sowie Prüfungen auf Schwermetalle und Pestizide gemäß EU‑Vorgaben. Übliche Identitäts‑/Assay‑Methoden sind HPTLC/HPLC/LC‑MS – das ist auch in offiziellen Berichten und Pharmakopöen verankert, z. B. zusammengefasst in der IARC/NCBI‑Übersicht zu Analyseverfahren.

Extraktion: Prozesse, die wirklich einen Unterschied machen

„Raffiniert und quantifiziert“ bedeutet: Das Blatt wird mit organischen Lösemittel‑Wasser‑Gemischen extrahiert, anschließend werden störende Stoffe wie Ginkgolsäuren gezielt entfernt und die maßgeblichen Inhaltsstoff‑Gruppen auf definierte Bereiche eingestellt. In den etablierten EU‑Arzneiextrakten ist Aceton 60% m/m das Referenz‑Primärlösemittel. Das sorgt für Reproduzierbarkeit, Sicherheit (≤5 ppm Ginkgolsäuren) und vergleichbare Gehalte. Belegt in der Ph. Eur.‑Monographie und im HMPC‑Bericht.

Je nach Pharmakopöe variieren die zulässigen Bereiche – wer in Deutschland Arzneiqualität anstrebt, orientiert sich an Ph. Eur./HMPC. Unterschiede zwischen EU, USP und ChP werden in einem Übersichtsartikel detailliert diskutiert: Frontiers in Pharmacology (2022).

Praxisbeispiel: Zwei Etiketten im Vergleich

Beispiel A (ideal): „Ginkgo biloba Blätter‑Trockenextrakt (raffiniert und quantifiziert), DER 35–67:1; Extraktionsmittel Aceton 60% m/m; standardisiert auf 24% Flavon‑Glykoside und 6% Terpenlaktone; Ginkgolsäuren ≤5 ppm; 120 mg pro Tablette; 2 Tabletten/Tag.“

Beispiel B (meiden): „Ginkgo‑Extrakt 120 mg; standardisiert auf 24% Ginkgo‑Flavone“ (keine Terpen‑Angabe, kein DER, kein Lösemittel, kein Grenzwert für Ginkgolsäuren).

Dosierung, Sicherheit – und wer zuerst in die Apotheke/Arztpraxis sollte

In Produkten nach Ph. Eur. sind Tagesmengen von 120–240 mg standardisiertem Extrakt (aufgeteilt) üblich; die Wirkung wird oft nach 8–12 Wochen bewertet. Bei gleichzeitiger Einnahme von Antikoagulanzien/Thrombozytenaggregationshemmern, vor geplanten Operationen, in Schwangerschaft/Stillzeit oder bei Krampfneigung solltest du mit Ärztin/Arzt bzw. Apothekerin/Apotheker sprechen. Ginkgotoxin kommt vor allem in Samen vor; raffinierte und quantifizierte Blätter‑Extrakte zielen auf niedrige Begleitstoffe wie Ginkgolsäuren ab. Apothekenpflichtige Arzneimittel in Deutschland enthalten eine geprüfte Packungsbeilage mit zugelassener Dosierung und Sicherheitshinweisen.

Nachhaltigkeit und Ethik

Bevorzuge Marken, die Herkunft, Lieferkette und Qualitätskontrollen transparent machen: Chargen‑Rückverfolgbarkeit, nachhaltige Blattbeschaffung und Maßnahmen zur Reduktion des Lösemittel‑Fußabdrucks. Für Arzneiqualität gelten strenge Grenzwerte für Element‑ und Lösemittel‑Rückstände – auch wenn diese nicht immer auf dem Etikett stehen. Solche Prozesse fördern Konsistenz und passen zu einem positiven, langfristigen Longevity‑Ansatz.

Die 60‑Sekunden „Ginkgo‑Qualität“ Checkliste

  • Ph. Eur.‑Spezifikation vorhanden? 22–27% Flavone; 5,4–6,6% Terpene. Quelle: Ph. Eur.
  • DER 35–67:1 angegeben. Belegt im HMPC‑Bericht.
  • Ginkgolsäuren ≤5 ppm.
  • Extraktionsmittel genannt (ideal: Aceton 60% m/m für den EU‑Referenzextrakt).
  • Klare mg pro Dosis, Herstellerangabe, Charge/Haltbarkeit.
  • Unabhängige CoA auf Anfrage (HPLC/LC‑MS; Schwermetalle; Pestizide).
  • Wenn du Arzneiqualität willst: apothekenpflichtiges Arzneimittel mit diesen Angaben wählen.

FAQ – kurz und sachlich

  • Ist „24/6“ dasselbe wie Ph. Eur.? Ja – Konsumenten‑Kurzform für ca. 24% Flavone und 6% Terpene. Achte darauf, dass die Bereiche 22–27% bzw. 5,4–6,6% genannt sind (Ph. Eur.).
  • Warum zeigen „USP‑konforme“ Produkte teils höhere Terpen‑Prozente? Die USP erlaubt bis 12% Terpenlaktone (USP‑Monographie); EU‑Arzneimittel sind enger eingestellt.
  • Sind günstige Produkte automatisch schlechter? Nicht zwingend – aber wegen nachgewiesener Verfälschungen ist besondere Sorgfalt angebracht. Verlange eine CoA (siehe BAPP‑Bericht).
  • Wirken Blattpulver oder Tee genauso wie Extrakte? Nein. Sie sind nicht „raffiniert und quantifiziert“ und erreichen nicht die definierte Terpen/Flavon‑Signatur oder ≤5 ppm Ginkgolsäuren.

Mehr zur Studienlage zu Ginkgo bei Demenz findest du in unserem Überblick: Ginkgo & Demenz – klinische Studien.

Dein nächster Schritt

Speichere die Checkliste, lass dir in der Apotheke ein Etikett erklären – oder frage den Anbieter aktiv nach einer CoA. Nutze dafür diese 5‑Zeilen‑Vorlage:

Hallo, ich interessiere mich für Ihr Ginkgo‑Produkt (Chargennummer, falls vorhanden). Können Sie die aktuelle Certificate of Analysis senden, die bestätigt: (1) Flavon‑Glykoside 22–27%, (2) Terpenlaktone 5,4–6,6% mit Einzelwerten für Ginkgolide A, B, C und Bilobalid, (3) Ginkgolsäuren ≤5 ppm, (4) DER und Extraktionsmittel, (5) Schwermetalle und Pestizidrückstände gemäß EU‑Grenzwerten? Vielen Dank.

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FAQ

Ist „24/6“ gleichbedeutend mit der Ph. Eur.-Spezifikation?

Ja, es ist Konsumenten-Kurzsprache für etwa 24% Flavon-Glykoside und 6% Terpenlaktone. Prüfe, ob die Bereiche 22–27% und 5,4–6,6% explizit genannt sind (Ph. Eur.).

Warum zeigen „USP-konforme“ Produkte teils mehr Terpenlaktone?

Die USP erlaubt 5,4–12% Terpenlaktone. In Deutschland übliche Arzneiextrakte folgen der engeren Ph. Eur.-Spanne von 5,4–6,6%.

Wie erkenne ich Verfälschung auf dem Etikett?

Fehlen Terpenlaktone, DER oder das Extraktionsmittel und steht nur „24% Flavone“, ist Vorsicht geboten. Verlange eine CoA mit HPLC/LC-MS-Daten und ≤5 ppm Ginkgolsäuren.

Sind Nahrungsergänzungsmittel grundsätzlich schlechter als Apotheken-Arzneimittel?

Nicht automatisch. Sie sind aber nicht an die Monographie gebunden. Achte deshalb auf identische Spezifikationen und unabhängige Labornachweise.

Ist Ginkgo-Blattpulver oder Tee gleichwertig zum Extrakt?

Nein. Pulver/Tees sind nicht „raffiniert und quantifiziert“ und erreichen weder die definierte 24/6-Signatur noch den Grenzwert von ≤5 ppm Ginkgolsäuren.

Wie wir diesen Artikel überprüft haben:

Quellen

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