OPC-Präparate unter der Lupe: Standardisierungslücken und Reinheitsprobleme

Leila WehrhahnAktualisiert:

Das OPC-Qualitätsproblem: Warum „95% OPC“ keine Garantie ist

Zwei Dosen Traubenkernextrakt, beide werben mit „95% OPC“ – und trotzdem berichten Nutzer von sehr unterschiedlichen Erfahrungen. Der Grund: Hinter der gleichen Zahl stehen oft völlig unterschiedliche Prüfmethoden, Zusammensetzungen und Reinheitsniveaus. OPC (oligomere Proanthocyanidine) stammen typischerweise aus Traubenkernen (Vitis vinifera) oder Pinienrinde (z. B. Pinus pinaster) und sind ein Sammelbegriff für komplexe Polyphenole. Doch „X% OPC“ auf dem Etikett sagt wenig aus, wenn nicht transparent ist, wie gemessen wurde und wie sauber der Extrakt ist. Genau hier trennt sich Qualität von Marketing.

🔍 Kurz zusammengefasst

„95% OPC“ kann je nach Testmethode etwas völlig anderes bedeuten. Wirklich aussagekräftig sind nur Angaben mit Messmethode (z. B. DMAC oder HPLC) und ein sauberer Reinheitsnachweis.

OPC-Grundlagen – was ein Qualitäts-Extrakt enthalten sollte

Proanthocyanidine (PACs) sind Polymere und Oligomere aus Flavan-3-olen wie Catechin und Epicatechin. Procyanidine sind die wichtigste Unterklasse der PACs in Traubenkernen. Man unterscheidet Monomere (z. B. Catechin), Oligomere (Dimere bis Pentamere) und hochmolekulare Polymere. Der mittlere Polymerisationsgrad (mean Degree of Polymerization, mDP) beschreibt, wie lang die Ketten sind – „oligomer“ ist der Bereich, der in der Qualitätsdiskussion besonders relevant ist. Typische Rohstoffe sind Traubenkerne (Vitis vinifera) und Pinienrinde (Pinus pinaster). Es gibt Markenextrakte mit definierter Technologie, daneben viele Handelsqualitäten (Commodity GSE). Entscheidend ist in allen Fällen die analytische Charakterisierung des Oligomerprofils und die Reinheit.

🔍 Kurz zusammengefasst

OPC sind oligomere Proanthocyanidine; Procyanidine sind dabei die Hauptgruppe aus Traubenkernen. Wichtige Kenngröße: der mittlere Polymerisationsgrad (mDP).

Standardisierung: Was misst „X% OPC“ wirklich?

Das Kernproblem: Unterschiedliche Methoden liefern unterschiedliche Prozentwerte, obwohl es sich um denselben Extrakt handelt. Häufige Verfahren und was sie leisten:

  • UV/Vis „Total Phenolics“ (Folin–Ciocalteu): unspezifisch, reagiert mit vielen reduzierenden Substanzen und kann Werte künstlich erhöhen. Gut als Gesamt-Reduktionskapazität, aber kein OPC-spezifischer Test. Siehe u. a. die methodischen Bewertungen und Interferenz-Studien der letzten Jahre in Fachjournalen und Reviews. Reaktivität des Folin–Ciocalteu-Reagenz, Vergleich FC vs. FBBB.
  • Bate–Smith (Butanol/HCl; „condensed tannins“): misst kondensierte Tannine insgesamt, begrenzte Spezifität; nützlich für Trends, nicht für exakte OPC-Quantifizierung. Verbesserte Butanol-HCl-Assays.
  • DMAC-Assay: selektiver für Proanthocyanidine; in Mehrlabor-Validierungen als robuste Quantifizierung eingesetzt (u. a. Cranberry, Kakao, Traubenkern). Mehrlabor-Validierung DMAC, AOAC First Action 2019.06.
  • HPLC/UPLC (DAD/MS): liefert Profile von Monomeren/Oligomeren, kann Procyanidin-Serien und mDP charakterisieren; „Goldstandard“ für Charakterisierung, aber aufwendig. HPLC/MS-Charakterisierung von GSE, HPLC–MS/MS Profiling von TKE.
  • Phloroglucinolyse/Thiolysis + HPLC: bestimmt mDP und Untereinheitenzusammensetzung; sehr aufschlussreich für „oligomer vs. polymer“. mDP-Bestimmung nach Thiolyse.

Takeaway: Ohne Nennung der Methode ist „95% OPC“ nahezu bedeutungslos. Fordern Sie Angaben wie „Procyanidine nach DMAC“ oder ein HPLC-Profil mit Oligomerverteilung/mDP an.

🔍 Kurz zusammengefasst

UV/Vis misst „alles Reduzierende“, DMAC ist PAC-näher, HPLC/UPLC zeigt Zusammensetzung und mDP. Seriöse Produkte nennen die Methode – idealerweise Kombinationen (Identität + Quant).

Reinheit und Sicherheit: Mehr als nur %OPC

Qualität heißt auch: frei von problematischen Rückständen innerhalb der EU-Grenzwerte. Relevante Prüfungen und Rechtsrahmen:

  • Schwermetalle (Pb, Cd, Hg, As): Bestimmung per ICP‑MS; EU-Höchstgehalte sind in der Verordnung (EU) 2023/915 geregelt; Überblick bei EFSA zum Thema Metalle.
  • Pestizidrückstände: Multi-Residue-Screening (LC‑MS/MS, GC‑MS/MS) auf Basis der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 (MRLs).
  • Lösungsmittelrückstände: GC-Prüfung; zulässige Extraktionslösungen nach Richtlinie 2009/32/EG; bevorzugt Wasser/Ethanol.
  • PAKs (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe): Grenzwerte für bestimmte Lebensmittelkategorien u. a. in Anhang der Verordnung (EU) 2023/915.
  • Mykotoxine (z. B. Ochratoxin A): möglich in traubenbasierten Materialien; EFSA-Risikobewertung und EU-Höchstgehalte beachten. EFSA-Opinion zu OTA.
  • Mikrobiologie: TPC (Keimzahl), Hefe/Schimmel, E. coli, Salmonella – gemäß Hygienepraxis/HACCP; EU-Orientierung über Mikrobiologische Kriterien.
  • Allergenrisiko durch Verfälschung: Erdnussschalen-Extrakt kann Procyanidin-Analysen „hochtreiben“. Bei tatsächlicher Erdnuss-Verwendung greift die Allergenkennzeichnung nach Verordnung (EU) Nr. 1169/2011.

Compliance‑Hinweis: Gesundheitsbezogene Aussagen sind in der EU streng geregelt (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006). Für OPC/Traubenkernextrakt gibt es keine zugelassenen krankheitsbezogenen Claims.

🔍 Kurz zusammengefasst

Ein guter Extrakt ist nicht nur „hochprozentig“, sondern vor allem sauber: Metalle, Pestizide, Lösungsmittel, PAKs, Mykotoxine und Keime müssen unter strengen EU‑Grenzwerten liegen.

Verfälschung: Wie OPC häufig gefälscht wird

Ökonomischer Druck sorgt für „Etiketten-Prozentpunkte“ zum Dumpingpreis. Bekannte Muster:

  • „Spiking“ mit Erdnussschalen-Extrakt: erhöht unspezifische UV/Vis‑Werte; per HPTLC/HPLC und Marker (A‑Typ‑PACs) erkennbar. Studie fand Erdnussanteile in GSE-Produkten; HPTLC‑Markeransatz für Erkennung.
  • „OPC“ aus schweren Polymeren: hoher „%“-Wert, aber wenig oligomer – methodisch sauberer nur via mDP/HPLC beurteilbar.
  • Falsche Art/Quelle: Pinienrinden‑Substitution oder unklare Herkunft.
🔍 Kurz zusammengefasst

Sensationell hohe Prozentangaben bei schwammigen Methoden sind verdächtig. Fordern Sie HPLC/DMAC‑Nachweis und chargenspezifische COAs.

So lesen Sie ein COA (Certificate of Analysis) für OPC

Ein belastbares COA sollte enthalten:

  • Identität: Botanischer Name und Pflanzenteil (z. B. Vitis vinifera, Samen), Charge/Los, Herstell‑ und Prüfdatum.
  • Standardisierung inkl. Methode: z. B. „Procyanidine (DMAC) ≥ X%“ oder HPLC‑Daten (Catechin/Epicatechin, B‑Dimeren, Oligomerverteilung, mDP).
  • Reinheitspanel: Schwermetalle (Grenzwerte + Methode), Lösungsmittel, Pestizide (Screening-Umfang und MRL‑Basis), Mikro, PAKs, Mykotoxine.
  • Laborinfos: Unabhängig, ISO/IEC 17025 akkreditiert; Unterschrift/Datum.

Praxis‑Tipp: Verlangen Sie chargenspezifische COAs, keine generischen Spezifikationen.

Methoden verständlich erklärt

  • „95% OPC by UV“: meist Gesamtphenole – unspezifisch; kann OPC-Anteil überschätzen.
  • „≥ 75% Procyanidine (DMAC)“: näher an tatsächlichem PAC‑Gehalt, aber standard‑ und matrixabhängig.
  • „Profiled by HPLC/UPLC“: höhere Spezifität; Oligomerverteilung und mDP geben Substanz.

Starker Kombi-Ansatz: Identität via HPLC‑Fingerprint; Quantifizierung via DMAC oder HPLC‑Assay; Reinheit via ICP‑MS (Metalle), LC‑MS/MS (Pestizide), GC (Lösungsmittel), plus Mikro/Mykotoxine/PAKs. Unabhängige Labore mit ISO/IEC‑17025‑Akkreditierung erhöhen die Aussagekraft (z. B. Alkemist Labs – ISO/IEC 17025, SGS Deutschland – 17025, TÜV SÜD – 17025).

🔍 Kurz zusammengefasst

Glaubwürdige Qualitätsangaben kombinieren Identitätsprüfung (HPLC) mit PAC‑Quant (DMAC/HPLC) und umfassender Reinheitsanalytik in einem ISO‑akkreditierten Labor.

Signale guter Herstellungspraxis im deutschen Markt

  • Standort & Zertifikate: HACCP plus anerkanntes Lebensmittelsicherheits‑System (z. B. ISO 22000, FSSC 22000 (V6), BRCGS Food Safety, IFS Food).
  • Rückverfolgbarkeit: Herkunft der Samen/Rinde, eingesetztes Lösungsmittel, Chargenfluss inkl. Hilfsstoffe.
  • Verpackung & Stabilität: Schutz vor Licht/Sauerstoff; plausible Haltbarkeitsbegründung.
  • Verantwortungsvolle Kennzeichnung: Allergene, tägliche Verzehrmenge, Warnhinweise und Kontaktdaten gemäß deutscher NemV und FIC 1169/2011.

Was die Wissenschaft sagt (kurz, ohne Health Claims)

OPC sind ernährungsphysiologische Polyphenole mit Forschungsinteresse in antioxidativen und gefäßbezogenen Zusammenhängen. Humanstudien existieren, aber die Heterogenität der Extrakte und Methoden erschwert die Interpretation. Für gesundheitsbezogene Aussagen gelten in der EU hohe Hürden; ein prominentes Beispiel ist die Prüfung einer Blutdruck‑Aussage zu einem GSE, die 2021 nicht positiv beschieden wurde. EFSA‑Bewertung zu GSE und Blutdruck. Für Langlebigkeit interessiert vor allem, wie qualitativ hochwertige, saubere Polyphenol‑Quellen in eine insgesamt gesundheitsförderliche Lebensweise passen – ohne krankheitsbezogene Versprechen. Eine komprimierte Übersicht zu OPC und Herz‑Kreislauf‑Studien finden Sie hier.

🔍 Kurz zusammengefasst

Forschung ja, aber keine zugelassenen spezifischen EU‑Health‑Claims für Traubenkernextrakt. Qualität und Transparenz sind wichtiger als laute Versprechen.

Kaufberatung: 10‑Punkte‑Checkliste für vertrauenswürdiges OPC

  1. Verlangen Sie ein chargenspezifisches COA.
  2. Achten Sie auf die Methode (DMAC und/oder HPLC genannt).
  3. Meiden Sie „95% OPC“ mit nur „spectrophotometric/total polyphenols“.
  4. Bevorzugen Sie Wasser/Ethanol‑Extraktion; Lösungsmittel offenlegen.
  5. Bestehen Sie auf Kontaminanten‑Panel: Metalle, Pestizide, Lösungsmittel, Mikro, PAKs, Mykotoxine.
  6. Prüfen Sie Labor‑Akkreditierung (ISO/IEC 17025) und Unabhängigkeit (z. B. Eurofins, TÜV, SGS, Alkemist).
  7. Bestätigen Sie die botanische Identität (Vitis vinifera Samen; oder Pinus pinaster Rinde).
  8. Prüfen Sie Allergen‑Handling und Hinweise zu Erdnuss‑Kontamination.
  9. Beachten Sie Hersteller‑Zertifikate (HACCP/ISO 22000/FSSC/IFS/BRCGS).
  10. Bevorzugen Sie Marken mit Transparenz und reaktionsfähigem Support.

Hinweis: Eine druckbare Checkliste als PDF stellen wir Ihnen in Kürze bereit.

Vorlage: E‑Mail an eine Marke für ein besseres COA

  • Bitte senden Sie das chargenspezifische COA (Batch‑Nr.).
  • Welche Methode wurde für %OPC genutzt (DMAC/HPLC vs. UV/Vis)?
  • Bitte legen Sie die Kontaminanten‑Ergebnisse (Grenzwerte + Methoden) bei.
  • Restlösungsmittel: Referenz auf EU‑Richtlinie 2009/32/EG, inklusive GC‑Daten.
  • Labor: unabhängig und ISO/IEC 17025 akkreditiert? Zertifikatsnachweis bitte beifügen.

Preis vs. Wert: Wann lohnt sich mehr Geld – und wann nicht?

Kostentreiber sind Rohstoffherkunft, Marken‑IP, unabhängige Tests und Zertifizierungen. Faustregel: Für verifizierte Methode + Reinheit zahlen lohnt sich – nicht für eine große Zahl ohne Methode. Wer langfristig auf Qualität setzt, investiert klug in Transparenz statt in „Etiketten‑Prozentpunkte“.

Typische Mythen – entzaubert

  • „Alle 95% OPC sind gleich“: Falsch. Methoden unterscheiden sich deutlich.
  • „Dunkler = stärker“: Farbe ist kein Reinheitsmaß.
  • „EU‑Herkunft = automatisch rein“: Ohne Chargen‑COA bleibt es Annahme.
  • „OPC muss aus Pinienrinde sein“: Traubenkern ist eine etablierte, gut charakterisierte Quelle; entscheidend ist die Zusammensetzung und Reinheit.

Risiken, Wechselwirkungen und rechtlicher Hinweis (Deutschland/EU)

Traubenkernextrakt gilt allgemein als gut verträglich. Dennoch sollten Personen mit Blutverdünnern/Thrombozytenaggregationshemmern, vor Operationen, in Schwangerschaft/Stillzeit Rücksprache mit medizinischem Fachpersonal halten. Keine krankheitsbezogenen Aussagen erlaubt (EU‑Verordnung 1924/2006). Kennzeichnen Sie Allergene gemäß FIC 1169/2011; beachten Sie die deutschen Pflichtelemente der NemV.

Quick‑FAQ

  • Ist „OPC“ dasselbe wie „Procyanidine“? OPC sind oligomere Proanthocyanidine; Procyanidine sind die Hauptuntergruppe in Traubenkernen.
  • Was ist eine „gute“ %‑Angabe? Entscheidend sind Methode + Reinheit, nicht die nackte Zahl.
  • Zählt die Herkunft des Rohstoffs? Für Rückverfolgbarkeit ja – trotzdem COA prüfen.
  • Wie oft sollten Marken testen? Idealerweise jede Charge auf Identität und zentrale Kontaminanten.

Fazit & Einladung

Qualität bei OPC bedeutet: Methode + Reinheit > Headline‑Prozent. Nutzen Sie die Checkliste, fragen Sie aktiv nach DMAC/HPLC‑Daten und chargenspezifischen COAs. Abonnieren Sie unseren Newsletter für unabhängige Deep Dives zur Qualität von Nahrungsergänzungen im deutschsprachigen Raum – für eine informierte, langfristig gesundheitsförderliche Routine.

🔍 Kurz zusammengefasst

Kaufen Sie nicht die größte Zahl, sondern die beste Dokumentation: Methode nennen, Reinheit belegen, Charge verifizieren.

FAQ

Ist „OPC“ dasselbe wie „Procyanidine“?

OPC sind oligomere Proanthocyanidine; Procyanidine sind die wichtigste Untergruppe davon, besonders in Traubenkernen.

Welche Prozentangabe ist „gut“?

Wichtiger als eine hohe Zahl ist die benannte Methode (DMAC/HPLC) und ein sauberes Reinheitspanel im chargenspezifischen COA.

Spielt die Herkunft eine Rolle?

Ja, für Rückverfolgbarkeit und Qualitätssicherung. Trotzdem immer das COA der konkreten Charge prüfen.

Wie oft sollten seriöse Anbieter testen?

Jede Charge sollte auf Identität (z. B. HPLC-Fingerprint) und zentrale Kontaminanten geprüft werden; Ergebnisse gehören ins COA.

Sind gesundheitsbezogene Aussagen zu OPC erlaubt?

Nur, wenn von der EU zugelassen. Für Traubenkernextrakt gibt es aktuell keine genehmigten spezifischen Health Claims.

Wie wir diesen Artikel überprüft haben:

Quellen

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