Spermidin: Nebenwirkungen und Verträglichkeit – was Sie wissen sollten
Leila WehrhahnAktualisiert:- In gut gemachten Humanstudien über bis zu 12 Monate mit niedrig dosiertem Weizenkeimextrakt waren Nebenwirkungen vergleichbar mit Placebo – die Verträglichkeit gilt insgesamt als gut. SmartAge‑Studie (JAMA Network Open).
- In der EU ist „spermidinreicher Weizenkeimextrakt (Triticum aestivum)“ als neuartiges Lebensmittel für Erwachsene zugelassen (ausgenommen Schwangerschaft/Stillzeit); Nahrungsergänzungen dürfen bis zu 6 mg/Tag Spermidinäquivalent liefern. Unionsliste neuartiger Lebensmittel (Stand 21.07.2025).
- Kurzfristig (28 Tage) war hochreines Spermidin bei 40 mg/Tag in älteren, gesunden Männern gut verträglich – diese Dosierung liegt über EU‑Grenzwerten für Supplements; Langzeitdaten fehlen. Nutr Res 2024.
- Besondere Vorsicht: Schwangerschaft/Stillzeit, unter 18 Jahren, Zöliakie/Weizenallergie (viele Produkte enthalten Gluten), sowie Patientinnen/Patienten unter polyamin‑hemmender Krebstherapie (z. B. DFMO). EU‑Bedingungen; DFMO+Sulindac‑Studie.
- „Longevity“-Effekte beim Menschen: Beobachtungsdaten sind gemischt; die Sicherheit wirkt bei EU‑Dosierungen gut, der Nutzen wird weiter erforscht. Bruneck‑Studie; Takayama‑Studie.
Kurzer Überblick: Was ist Spermidin?
Spermidin ist ein körpereigener Polyamin‑Baustein, der an Zellwachstum, Stressantworten und Recyclingprozessen wie der Autophagie beteiligt ist. Über die Ernährung nehmen wir Spermidin vor allem mit Getreideprodukten, Hülsenfrüchten (z. B. Soja), einigen Käsesorten und Pilzen auf. Für Nahrungsergänzungsmittel sind zwei Formen relevant: (1) spermidinreicher Weizenkeimextrakt – die in der EU zugelassene Form – und (2) hochreine bzw. synthetische Spermidinsalze, die in Studien benutzt werden, aber nicht die Grundlage der EU‑Zulassung als neuartiges Lebensmittel bilden. Details zur zugelassenen Form und Kennzeichnung finden sich in der EU‑Unionsliste. Regelwerk einsehen.
Spermidin kommt natürlicherweise im Körper und in Lebensmitteln vor. Als Nahrungsergänzung ist in der EU nur Weizenkeimextrakt mit definiertem Spermidin‑Gehalt zugelassen.
Vertiefend: Wie Spermidin mit Gehirn, Gedächtnis und Kognition zusammenhängen könnte, erläutert unser Hintergrundartikel „Spermidin, Gehirn & Gedächtnis – was sagt die Forschung?“.
EU & Deutschland: Rechtslage, Kennzeichnung, Tageshöchstmenge
Die Unionsliste neuartiger Lebensmittel regelt die Verwendung von „spermidinreichem Weizenkeimextrakt (Triticum aestivum)“ EU‑weit – und damit auch in Deutschland. Für Nahrungsergänzungen gelten folgende Bedingungen: nur für die erwachsene Bevölkerung, ausgenommen Schwangere und Stillende; die Tagesdosis darf einem Äquivalent von maximal 6 mg Spermidin entsprechen. Auf dem Etikett muss die Bezeichnung „spermidinreicher Weizenkeimextrakt“ stehen. Außerdem existieren verbindliche Spezifikationen, u. a. für den Polyamin‑Gehalt des Extrakts, die als Qualitätsmaßstab dienen.
In der EU ist Weizenkeimextrakt mit Spermidin zugelassen – mit klaren Auflagen: Erwachsene, ≤ 6 mg/Tag, nicht für Schwangerschaft/Stillzeit, klare Kennzeichnung.
Was sagen Humanstudien zu Sicherheit und Verträglichkeit?
12‑Monate‑Studie (SmartAge)
In der SmartAge‑Studie (100 Teilnehmende, subjektive kognitive Verschlechterung, 60–90 Jahre) erhielten die Probanden 12 Monate lang täglich 0,9 mg Spermidin aus Weizenkeimextrakt oder Placebo. Ergebnis: Keine signifikanten Unterschiede bei der primären Gedächtnis‑Messung; unerwünschte Ereignisse waren zwischen den Gruppen ausgeglichen. Die Autorinnen und Autoren berichten über ein gutes Sicherheitsprofil in dieser Dosis und Dauer.
Frühere Pilotstudie (3 Monate)
Eine kleinere, drei Monate dauernde Pilot‑RCT fand Hinweise auf eine Verbesserung spezieller Gedächtnisparameter; die Sicherheit wurde als akzeptabel bewertet. Aufgrund der geringen Fallzahl sollten diese Effekte jedoch als vorläufig betrachtet werden.
Kurzfristige Hochdosis‑Sicherheit (Forschungssetting)
Außerhalb der EU‑Supplementgrenzen untersuchte eine explorative RCT hochreines Spermidin‑Trihydrochlorid mit 40 mg/Tag über bis zu 28 Tage bei gesunden älteren Männern. Es traten keine produktbezogenen Nebenwirkungen oder klinisch relevanten Laborveränderungen auf; die zirkulierenden Polyamine blieben weitgehend stabil, was auf eine strenge homöostatische Regulation hindeutet. Wichtig: Diese Dosis ist in der EU für Nahrungsergänzungen nicht zulässig; Langzeitdaten fehlen.
Fazit: Bei EU‑zugelassenen Dosierungen (≤ 6 mg/Tag) und typischen Studienmengen (≤ ca. 1 mg/Tag aus Weizenkeimextrakt) zeigt sich bislang eine gute Verträglichkeit. Daten über Zeiträume deutlich über 12 Monate sind noch begrenzt. EU‑Regelwerk.
Bisher zeigen Studien: Niedrig dosiertes Spermidin aus Weizenkeimextrakt ist gut verträglich; Hochdosen wurden kurzzeitig ebenfalls gut vertragen, sind aber nicht für Supplements in der EU zugelassen.
Spermidin: Welche Nebenwirkungen wurden berichtet?
Klinische Signale: In den Langzeit‑ und Pilotstudien traten keine konsistenten Nebenwirkungen über Placebo hinaus auf. Falls Symptome vorkamen, betraf es meist milde Magen‑Darm‑Beschwerden (z. B. Übelkeit, Blähungen), die erfahrungsgemäß vorübergehend sind. SmartAge‑Studie.
Allergien & Unverträglichkeiten: Die häufigste Supplement‑Quelle ist Weizenkeimextrakt. Viele Produkte enthalten daher Gluten und sind für Personen mit Zöliakie, nicht‑zöliakischer Glutensensitivität oder Weizenallergie ungeeignet. Hersteller geben teils explizit den Glutengehalt an; ein Beispiel: Herstellerangaben zu Gluten bei Weizenkeimextrakt. Prüfen Sie stets die Etiketten oder fordern Sie Zertifikate an.
Überempfindlichkeitsreaktionen: Sehr selten möglich (z. B. Hautausschlag, Schwellungen, Atembeschwerden). In solchen Fällen: Einnahme stoppen und ärztlich abklären lassen.
Wer sollte verzichten oder vorher ärztlichen Rat einholen?
- Schwangerschaft & Stillzeit: Unter die EU‑Zulassung fallen nur Erwachsene; Schwangere und Stillende sind explizit ausgeschlossen. EU‑Bedingungen.
- Unter 18 Jahren: Nahrungsergänzungen mit spermidinreichem Weizenkeimextrakt sind nicht für Kinder und Jugendliche bestimmt. Rechtsgrundlage.
- Zöliakie, Weizenallergie, nicht‑zöliakische Glutensensitivität: Weizenkeim‑basierte Produkte meiden oder nur zertifiziert glutenfreie Alternativen verwenden (Hersteller/Label prüfen). Beispielhafte Herstellerinfo.
- Onkologie/Polyamin‑modulierende Therapien (z. B. DFMO): Einnahme ärztlich absprechen. Polyamine unterstützen Zellproliferation; eine hohe Polyaminzufuhr kann polyaminhemmende Therapiestrategien potenziell konterkarieren. DFMO+Sulindac‑Daten.
- Komplexe Medikation/chronische Erkrankungen: Belegte Arzneimittel‑Interaktionen sind rar, aber sprechen Sie Sicherheit und Dosis mit Ärztin/Arzt oder Apotheke ab.
Interaktionen und theoretische Bedenken – ausgewogen erklärt
Krebsbiologie vs. Epidemiologie: Polyamine fördern Zellwachstum; Krebstherapien nutzen teils polyamin‑senkende Strategien (z. B. DFMO). In einer klinischen Analyse deuteten sich komplexe Wechselwirkungen zwischen diätären Polyaminen und Therapieeffekten an – daher die Vorsicht bei aktiver Behandlung. Demgegenüber zeigen Bevölkerungsstudien gemischte Befunde: Die Bruneck‑Studie fand eine inverse Assoziation zwischen diätärer Spermidinzufuhr und Gesamtsterblichkeit, während die japanische Takayama‑Kohorte keine inverse Beziehung (und bei Frauen sogar einen Trend zu höherer Krebsmortalität bei hoher Spermidinzufuhr) berichtete. Nahrungsergänzungen sind keine Krebstherapie.
Bei Krebstherapie stets Rücksprache halten. Beobachtungsstudien zu Lebensverlängerung liefern unterschiedliche Ergebnisse und beweisen keine Ursache‑Wirkung.
Dosierung, Einnahmezeitpunkt und Tipps für die Verträglichkeit
- Innerhalb der EU‑Grenzen bleiben: Bis zu 6 mg/Tag Spermidinäquivalent aus Weizenkeimextrakt sind in Nahrungsergänzungen zulässig. Halten Sie sich an die Herstellerangaben. EU‑Vorgaben.
- Schonend starten: Bei empfindlichem Magen 1‑2 Wochen mit halber Dosis beginnen; mit einer Mahlzeit einnehmen; ausreichend trinken; bei Übelkeit nicht nüchtern einnehmen.
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Qualitäts‑Checkliste (Verbraucherschutz):
- Steht auf dem Label die Bezeichnung „spermidinreicher Weizenkeimextrakt“ und ist der mg‑Gehalt Spermidin pro Tagesdosis angegeben?
- Gibt es Hinweise auf unabhängige Prüfungen (z. B. Schwermetalle, Mikrobiologie) im Rahmen der EU‑Spezifikationen?
- Transparenz zum Gluten‑Status (Zertifizierung falls nötig)?
- Vorsicht bei „Mega‑Dosen“, die EU‑Grenzen überschreiten – insbesondere bei Angeboten außerhalb der EU, die nach Deutschland versendet werden.
Lebensmittel vs. Supplement: Was ist besser verträglich?
Viele Menschen erreichen ihre Spermidinzufuhr über die Ernährung – etwa durch Vollkorngetreide, Soja/Linsen, bestimmte Käsesorten und Pilze. Wer Gluten meidet oder Weizen nicht verträgt, kann auf nicht‑weizenbasierte Quellen achten (z. B. Sojaprodukte, einige Pilze). Der Fokus dieses Artikels liegt jedoch auf der Verträglichkeit von Nahrungsergänzungen.
Entscheidungshilfe für sichere Anwendung
- Ja: Gesunder Erwachsener, nicht schwanger/stillend, keine Weizen/Gluten‑Probleme, keine onkologische Polyamin‑Therapie; seriöses Produkt innerhalb der EU‑Grenzen wählen.
- Vielleicht: Viele Medikamente, empfindlicher Magen – mit halber Dosis starten, Verträglichkeit beobachten, Apotheke/Arzt fragen.
- Nein: Schwangerschaft, Stillzeit, Zöliakie/Weizenallergie (außer zertifiziert glutenfrei), aktive onkologische Behandlung mit DFMO – vorher ärztlich klären. EU‑Regeln; DFMO‑Daten.
Produktübersicht: Eine kuratierte Auswahl unserer Longevity‑Produkte finden Sie in der Kollektion.
Häufige Fragen (FAQ, kurz & bündig)
- Ist Spermidin langfristig sicher? Bis zu 12 Monate in niedriger Dosis aus Weizenkeimextrakt zeigten gute Verträglichkeit; Daten über längere Zeiträume sind begrenzt. SmartAge‑Studie.
- Kann Spermidin den Magen reizen? Gelegentlich ja. Tipp: Mit Essen einnehmen, Dosis reduzieren, bei anhaltenden Beschwerden absetzen.
- Gibt es Wechselwirkungen mit Medikamenten? Keine gut belegten klinischen Interaktionen; bei polyamin‑zielgerichteten Krebstherapien (z. B. DFMO) unbedingt Rücksprache halten. Onkologie‑Evidenz.
- Ist in Spermidin‑Supplements Gluten? Viele Weizenkeim‑Produkte enthalten Gluten. Etikett prüfen oder zertifiziert glutenfreie Optionen wählen. Beispielhafte Herstellerangabe.
- Welche Dosis ist in Deutschland erlaubt? Bis zu 6 mg/Tag Spermidinäquivalent in Nahrungsergänzungen für Erwachsene; nicht für Schwangere/Stillende. EU‑Rechtslage.