Bahnbrechende Studien zu Rhodiola: Müdigkeit spürbar reduziert
Leila WehrhahnAktualisiert:Zusammenfassung
Mehrere randomisierte Studien deuten darauf hin, dass Rhodiola rosea kurzfristig stressbedingte Müdigkeit verringern und Aufmerksamkeit sowie mentale Leistungsfähigkeit verbessern kann – akut (nach einer Einzeldosis) und über 2–4 Wochen. Die Befundlage ist jedoch gemischt und die Studienqualität variiert. In der EU ist Rhodiola als traditionelles pflanzliches Arzneimittel für die vorübergehende Linderung von Stresssymptomen (einschließlich Müdigkeit/Schwächegefühl) anerkannt; eine zugelassene Health‑Claim‑Aussage zur „Verringerung geistiger Müdigkeit“ gibt es nicht. Im Folgenden finden Sie praxisnahe Hinweise: wer am ehesten profitiert, evidenznahe Dosierfenster, Sicherheit, und wie Sie in Deutschland ein qualitativ hochwertiges Produkt auswählen.
Kurzfristig und unter Stress zeigt Rhodiola in mehreren RCTs Nutzen gegen Müdigkeit – aber nicht in allen Gruppen. In der EU sind nur traditionelle Anwendungsangaben zulässig, keine Health Claims zur geistigen Ermüdung.
Was ist Rhodiola rosea?
Rhodiola rosea (Rosenwurz) ist ein adaptogener Wurzelextrakt aus kalten, hochgelegenen Regionen Eurasiens. Klinisch werden zwei Markerstoffe verwendet: Rosavine und Salidrosid. Viele Extrakte spiegeln das natürliche Verhältnis von etwa 3:1 (Rosavine:Salidrosid) wider. In Studien kamen wiederholt proprietäre, standardisierte Extrakte zum Einsatz, vor allem SHR‑5 sowie WS® 1375. Für Wirksamkeit und Sicherheit sind Standardisierung und botanische Echtheit entscheidend. Eine systematische Übersichtsarbeit beschreibt die Marker und das 3:1‑Verhältnis, weist aber auch auf heterogene Studienqualität hin; mechanistisch werden u. a. eine Modulation der HPA‑Achse, Monoamin‑ und mitochondriale Effekte diskutiert.
Weiterführend: Systematische Übersichtsarbeit zu Rhodiola und Müdigkeit; Plazebo‑kontrollierte Studie bei stressbedingter Erschöpfung (Olsson 2009).
Rhodiola‑Extrakte werden auf Rosavine und Salidrosid standardisiert; Studien nutzen v. a. SHR‑5 und WS® 1375. Echtheit und Standardisierung sind für Qualität zentral.

Rhodiola Rosea Extrakt Kapseln
Was gilt hier als „Landmark“-Studie?
Wir betrachten randomisierte, kontrollierte Studien mit validierten Endpunkten zu Müdigkeit/Performance, die häufig zitiert sind bzw. Forschung oder Regulierung beeinflusst haben. Zur Balance gehört mindestens eine robuste Studie mit negativen Ergebnissen.
Landmark‑Studien zur Reduktion von Müdigkeit
A) Studierende in Prüfungsphasen – Spasov et al., 2000 (Phytomedicine), 20 Tage
- Population: 40 Medizinstudierende (17–19 Jahre) unter Prüfungsstress.
- Extrakt/Dosis: SHR‑5, 2 × 50 mg, zweimal täglich (insgesamt 200 mg/Tag) über 20 Tage.
- Outcomes: Verbesserungen bei mentaler Müdigkeit, neuromotorischen Tests und allgemeinem Wohlbefinden vs. Plazebo; einige Tests nicht signifikant; Dosierung als „wahrscheinlich suboptimal“ bezeichnet.
- Einordnung: Frühes, plazebokontrolliertes Signal in realer Stresssituation.
Studie: Spasov 2000. Die Dosisangabe ist zusätzlich in der Tabellenübersicht der systematischen Review dokumentiert: Ishaque 2012.
B) Ärztinnen/Ärzte im Nachtdienst – Darbinyan et al., 2000 (Phytomedicine), Cross‑over
- Population: 56 junge Ärztinnen/Ärzte im Nachtdienst.
- Regime: Wiederholte niedrige Dosen SHR‑5 in zwei 2‑Wochen‑Phasen (Cross‑over mit Washout).
- Outcomes: Signifikante Verbesserung eines zusammengesetzten „Fatigue Index“ in der ersten Behandlungsperiode; keine relevanten Nebenwirkungen.
- Einordnung: Alltagsnahes Setting unter Schlafdefizit; Limitationen durch Cross‑over/Periodeneffekte.
Studie: Darbinyan 2000.
C) Akute mentale Arbeitskapazität – Shevtsov et al., 2003 (Phytomedicine), Einzeldosis‑RCT
- Population: 161 Kadetten (19–21 Jahre).
- Dosen: Einzeldosis SHR‑5 (ca. 370 mg oder 555 mg) vs. Plazebo und unbehandelt.
- Outcomes: Signifikante Verbesserungen eines „Anti‑Fatigue‑Index“ (beide Dosen) im Akut‑Setting.
- Einordnung: Belegt mögliche Sofort‑Effekte – relevant für „wichtige Tage“ mit hoher kognitiver Last.
Studie: Shevtsov 2003.
D) Stressbezogenes Fatigue‑Syndrom – Olsson et al., 2009 (Planta Medica), 28 Tage
- Population: 60 Erwachsene (20–55 Jahre) nach schwedischen Kriterien für Fatigue‑Syndrom.
- Dosis: SHR‑5, 576 mg/Tag vs. Plazebo, 28 Tage.
- Outcomes: Größere Verbesserungen in der Pines‑Burnout‑Skala und mehreren Aufmerksamkeitsindizes (CPT‑II) vs. Plazebo; zudem reduzierte Cortisol‑Aufwachreaktion (CAR) in der Verumgruppe; gute Verträglichkeit.
- Einordnung: Strenges, plazebokontrolliertes Studiendesign mit validierten Skalen plus biologischem Signal (Cortisol).
Studie: Olsson 2009; Journalseite: Planta Medica – Artikelübersicht.
E) Gegenbeispiel – Pflegestudierende im Schichtdienst, PLoS One 2014 (bis 42 Tage)
- Population: 48 Pflegestudierende im Schichtdienst.
- Dosis: 364 mg/Tag Rhodiola vs. Plazebo, bis 42 Tage.
- Outcomes: Am Tag 42 schnitt Plazebo bei Vitalität (RAND‑36) und VAS‑Fatigue besser ab; keine Unterschiede bei Nebenwirkungen; Autorinnen/Autoren raten zur Vorsicht.
- Einordnung: Nicht alle Kontexte profitieren; Ergebnisse können je nach Population, Produkt und Protokoll variieren.
Studie: Punja 2014, PLoS One.
Was sagen Übersichtsarbeiten?
Die systematische Übersichtsarbeit von 2012 analysierte 11 klinische Studien. Fazit: Es gibt Signale zugunsten mentaler Müdigkeit in einigen, aber nicht allen RCTs; methodische Mängel und inkonsistente Endpunkte verhinderten eine Meta‑Analyse. Die Autorinnen/Autoren forderten besser geplante und berichtete RCTs. Spätere narrative/umbrella Reviews bleiben vorsichtig positiv für stressbezogene Symptome, betonen aber erneut Heterogenität und Qualitätsfragen. Wichtig: Die stärkste Evidenz liegt für akute Situationen oder kurze Anwendungen bei stressbedingter Müdigkeit vor – nicht für komplexe chronische Fatigue‑Syndrome.
Eine praxisnahe Einordnung speziell zu Arbeitsstress/Burnout finden Sie hier: Rhodiola bei Arbeitsstress und Burnout – Studienlage.
Quellen: BMC‑Review 2012; Narrative Übersicht 2022 zu Lebensstress‑Symptomen.
Evidenz: nützlich v. a. kurzfristig bei stressbedingter Müdigkeit; Studienqualität uneinheitlich. Für medizinische Chronik‑Fatigue ist die Datenlage unzuregend.
Offene Daten zu Burnout und prolongierter Müdigkeit (Kontext)
Offene (nicht‑plazebokontrollierte) Studien mit WS® 1375 zeigen bei Lebensstress/Burnout (n≈101) und bei prolongierter/chronischer Müdigkeit (n≈100) konsistente Verbesserungen innerhalb von 1–12 Wochen und gute Verträglichkeit; typische Dosierung: 2 × 200 mg/Tag. Diese Studien sind hypothesengenerierend, helfen aber, in Deutschland gängige Dosiermuster einzuordnen.
Quellen: Edwards 2012 – Lebensstress/Burnout; Karger 2017 – prolongierte/chronische Müdigkeit.
Wer profitiert am ehesten?
- Vielversprechend (RCT‑Signale):
- Akute/kurzfristige kognitive Müdigkeit unter Stress (Prüfungen, Nacht‑/Wechselschicht, hohe Arbeitslast). Belege u. a. bei Nachtdienst‑Ärztinnen/‑Ärzten und in Akut‑Einzeldosis‑Studien. Quellen: Darbinyan 2000, Shevtsov 2003.
- Stressbezogenes Fatigue‑Syndrom über 2–4 Wochen (Verbesserung von Burnout‑Skalen und Aufmerksamkeit). Quelle: Olsson 2009.
- Weniger klar/negativ:
- Schichtmüdigkeit bei gesunden Pflegestudierenden über 6 Wochen (ein RCT mit Vorteil für Plazebo). Quelle: Punja 2014.
- Nicht belegt:
- Komplexe chronische Fatigue‑Syndrome (medizinisch heterogen) – derzeit unzureichende Evidenz. Überblick: BMC‑Review 2012.
Dosierungsmuster in Schlüsselstudien (keine medizinische Empfehlung)
- Akut/„wichtige Tage“: Einzeldosen ca. 370–555 mg SHR‑5, 1–2 Stunden vor der Aufgabe (Shevtsov 2003; Studie).
- Kurzer Kurs unter Stress: 200–576 mg/Tag eines standardisierten Extrakts für 2–4 Wochen (Spasov 2000: ~200 mg/Tag; Olsson 2009: 576 mg/Tag; offene WS® 1375‑Studien: 2 × 200 mg/Tag). Zusammenfassungen: BMC‑Review, Edwards 2012, Karger 2017.
- Timing: morgens oder früher Nachmittag, um möglichen Einfluss auf den Schlaf zu vermeiden.
Wichtig: Extrakte unterscheiden sich in Herstellung und Standardisierung (Rosavine/Salidrosid). „Mehr“ ist nicht automatisch besser.
Sicherheit, Interaktionen und Regulierung (Deutschland/EU)
Verträglichkeit: In RCTs wurden Rhodiola‑Extrakte meist gut vertragen; gelegentlich traten Schwindel, Mundtrockenheit oder Schlafveränderungen auf. In Einzelfallberichten wird bei gleichzeitiger Einnahme serotonerger Antidepressiva (z. B. SSRI/SNRI) von agitierenden oder serotoninassoziierten Symptomen berichtet; auch ein Fall von Manie wurde beschrieben. Vorsicht daher bei SSRI/SNRI, MAO‑Hemmern, sowie bei bipolarer Störung. Wechselwirkungen sind auch bei Antikoagulanzien/Antidiabetika nicht ausgeschlossen. In Schwangerschaft/Stillzeit meiden (Datenlage unzureichend). Quellen: Olsson 2009, Fallbericht SSRI + Rhodiola, Fallbericht Manie.
Regulatorischer Rahmen:
- EMA/HMPC: Rhodiola ist als „Traditionelles pflanzliches Arzneimittel“ für die vorübergehende Linderung von Stresssymptomen wie Müdigkeit/Schwäche eingestuft; Anwendung nur bei Erwachsenen, und ohne ärztlichen Rat nicht länger als zwei Wochen fortführen. Aktuelle Monographie (Revision 1, Stand 2024): EMA/HMPC‑Seite.
- EFSA (Nahrungsergänzung): Für die beanspruchte Wirkung „Verringerung geistiger Müdigkeit“ besteht keine zugelassene Health‑Claim‑Aussage (Wissenschaftliche Stellungnahme vom 17. Juli 2012). Quelle: EFSA‑Opinion 2012.
Meist gut verträglich; bei SSRI/SNRI vorsichtig sein und Rücksprache halten. In der EU ist Rhodiola als traditionelles Arzneimittel für kurze Anwendung anerkannt; Health Claims zu „geistiger Müdigkeit“ sind nicht erlaubt.
- Wenn Müdigkeit länger als 2 Wochen anhält oder sich verschlimmert.
- Bei gleichzeitiger Einnahme von Antidepressiva, Antikoagulanzien, Antidiabetika oder bei Diagnose bipolarer Störung.
- Bei Schwangerschaft/Stillzeit sowie bei ungeklärten neurologischen, endokrinen oder infektiösen Ursachen der Müdigkeit.
Qualitätscheck: So wählen Sie ein gutes Produkt in Deutschland
- Richtige Art und Standardisierung: Achten Sie auf Rhodiola rosea L. (nicht andere Rhodiola‑Arten) und auf eine klare Standardisierung auf Rosavine und Salidrosid – idealerweise nahe dem natürlichen ~3:1‑Verhältnis. Viele Studien nutzten SHR‑5 oder WS® 1375. Überblick: BMC‑Review (Marker/Standardisierung).
- Seriöser Hersteller: Chargendokumentation, plausible Tagesdosis im Rahmen der Literatur, transparente Rohstoffangaben.
- Arzneimittel vs. Nahrungsergänzung: Für traditionelle Arzneimittel (Apotheke) gilt die HMPC‑Monographie; folgen Sie der Packungsbeilage. Bei Nahrungsergänzungen sind gesundheitsbezogene Aussagen eingeschränkt; Qualitäten können variieren. Infos: EMA/HMPC.
Eine kuratierte Produktauswahl finden Sie in unserer Longevity‑Kollektion.
Nachhaltigkeit: Die weltweite Nachfrage belastet Wildbestände. Rhodiola‑Arten (inkl. R. rosea) sind seit der CITES‑Konferenz 2022 in Anhang II gelistet; in der EU wurden die Regelungen 2023 umgesetzt (Anhang B mit Annotation #2). Bevorzugen Sie Kulturanbau oder Marken, die CITES‑konforme, nachvollziehbare Beschaffung belegen. Hintergründe: Review zu Handel/Bestandsdruck, EU‑Umsetzungsverordnung 2023/966, CITES‑Taxonseite.
Hinweis zur Authentizität: DNA‑basierte Untersuchungen zeigen häufige Verwechslungen/Verfälschungen bei Rhodiola‑Produkten. Setzen Sie auf Anbieter mit belastbarer Artbestimmung. Beispiele: DNA‑Barcode‑Survey.
So setzen Sie Rhodiola sicher auf Probe: ein einfaches 2–4‑Wochen‑Protokoll
- Start niedrig (3–5 Tage): z. B. 100–200 mg/Tag eines standardisierten Extrakts.
- Titration: Innerhalb der in Studien verwendeten Bereiche auf 200–400 mg/Tag, ggf. bis 576 mg/Tag für maximal 4 Wochen. Einnahme morgens/früher Nachmittag.
- Selbstmonitoring: Wöchentlich eine einfache Müdigkeitsskala (0–10 VAS oder MFI‑20) und eine kurze Aufmerksamkeitstestung (z. B. wiederkehrende Reaktionszeit‑App) führen. Absetzen, wenn bis Woche 4 kein Nutzen spürbar ist.
- Medizinische Abklärung: Bei anhaltenden oder unklaren Symptomen ärztlich abklären lassen.
Siehe auch offene Studien mit WS® 1375 (2 × 200 mg/Tag) zur Orientierung: Edwards 2012, Karger 2017.
FAQ – kurz und praktisch
Kann ich Rhodiola langfristig nehmen? Die beste Evidenz betrifft akute/kurze Anwendungen. HMPC rät, ohne ärztlichen Rat nicht länger als 2 Wochen fortzuführen. Quelle: EMA/HMPC‑Monographie.
Rhodiola macht mich „aufgedreht“ – was tun? Dosis senken und früher am Tag einnehmen; bei anhaltender Unruhe absetzen. Individuelle Sensitivität variiert.
Reicht Salidrosid allein? Die meisten positiven Humanstudien nutzten R. rosea‑Extrakte, die auf Rosavine und Salidrosid standardisiert sind. Für einzelne Reinsubstanzen beim Menschen ist die Evidenz begrenzt. Überblick: BMC‑Review.
Bottom line
Die beste Human‑Evidenz unterstützt Rhodiola rosea bei kurzfristiger, stressbedingter Müdigkeit und zur Verbesserung der Aufmerksamkeit – mit gemischten Ergebnissen in manchen Populationen. Wer es probiert, sollte einen standardisierten Extrakt wählen, 2–4 Wochen konservativ dosieren und den Nutzen objektiv evaluieren. In Deutschland/EU gelten die HMPC‑Leitplanken und die Health‑Claim‑Regeln; im Zweifel medizinisch beraten lassen.