Welche Probiotika helfen bei Morbus Crohn?
Leila WehrhahnAktualisiert:
Kurz gesagt: Probiotika können einzelne Betroffene mit Morbus Crohn unterstützen – sie ersetzen jedoch keine Standardtherapie. In diesem Artikel erfahren Sie, wo die Studienlage bei Crohn derzeit steht, wie sich Probiotika von Präbiotika und Synbiotika unterscheiden, wie Sie ein Produkt auswählen und für wen Vorsicht geboten ist.
- Bei Morbus Crohn ist die Evidenz für Probiotika zur Schubbehandlung oder zum Remissionserhalt bisher begrenzt.
- Probiotika können die Darmbarriere und das Mikrobiom unterstützen; Erwartungen sollten realistisch bleiben.
- Präbiotika sind Ballaststoffe für Darmbakterien – gut verträglich bei vielen, aber langsam einschleichen.
- Nahrungsergänzungen wie Vitamin D, Vitamin B12 oder Eisen nur bei nachgewiesenem Mangel gezielt einsetzen.
- Therapieentscheidungen immer mit Ihrer behandelnden Praxis abstimmen.
Warum überhaupt Probiotika bei Morbus Crohn?
Bei Morbus Crohn ist die Darmflora häufig aus dem Gleichgewicht (Dysbiose). Bestimmte bakterielle Stämme können die Schleimhautbarriere stärken, kurzkettige Fettsäuren bilden und das Immunsystem modulieren – Mechanismen, die Beschwerden positiv beeinflussen können. Wichtig: Probiotika sind Nahrungsergänzungsmittel, keine Medikamente. Sie können die etablierte Therapie unterstützen, diese aber nicht ersetzen.
Probiotika zielen auf ein ausgewogenes Mikrobiom und eine stabile Darmbarriere ab. Sie sind eine ergänzende Option – nicht die Haupttherapie.
Was sagt die Studienlage?
Akuter Schub (Induktion)
Aktuell gibt es keine belastbaren Hinweise darauf, dass Probiotika bei aktivem Crohn eine Remission zuverlässig einleiten. Einzelne kleine Studien mit Lactobacillus rhamnosus GG oder Synbiotika zeigen keine konsistente Überlegenheit gegenüber Placebo. Beispiele: L. rhamnosus GG, B. longum in Synbiotika – bisher ohne gesicherte Vorteile für die Schubtherapie. (Cochrane-Review zur Remissionsinduktion bei Morbus Crohn, PubMed-Eintrag: Probiotika zur Remissionsinduktion (2020).)
Für die Schubbehandlung bei Crohn sind Probiotika bislang nicht zuverlässig wirksam belegt.
Remission halten
Auch zum Erhalt einer Remission konnte in systematischen Übersichten kein klarer Nutzen von Probiotika gezeigt werden. Untersucht wurden u. a. E. coli Nissle 1917, L. rhamnosus GG, Saccharomyces boulardii sowie mehrstammige Mischungen. Ergebnis: keine konsistente Senkung der Rückfallraten. (Cochrane-Review zum Remissionserhalt bei Morbus Crohn, PubMed-Eintrag: Probiotika zum Remissionserhalt.)
Für den Remissionserhalt bei Crohn bleibt die Studienlage schwach – ein gesicherter Vorteil ist bisher nicht belegt.
Nach Operation (Rezidivprophylaxe)
Für die Vorbeugung eines postoperativen Rückfalls werden Probiotika in aktuellen Leitlinien nicht empfohlen; randomisierte Studien zeigten keinen konsistenten Effekt. (ECCO-Leitlinienübersicht: publizierte Empfehlungen, Perioperative Dietary Therapy in IBD (ResearchGate).)
Nach Crohn-Operationen haben Probiotika in Studien keinen klaren Schutz vor Rückfällen gezeigt.
Hinweis zu Colitis ulcerosa: Im Unterschied zu Morbus Crohn gibt es für Colitis ulcerosa in bestimmten Situationen vorsichtige Hinweise auf Unterstützung durch ausgewählte Probiotika oder Mischungen; für Crohn sind solche Effekte bisher nicht gesichert. Leitlinien empfehlen Probiotika bei Crohn derzeit höchstens im Rahmen klinischer Studien. (AGA-Leitlinie: Rolle von Probiotika bei GI-Erkrankungen, WGO-Leitlinie Probiotika und Präbiotika.)

Probiotika
Probiotika vs. Präbiotika vs. Synbiotika
Probiotika sind lebende Mikroorganismen (z. B. Lactobacillus-, Bifidobacterium-Stämme), die in ausreichender Menge aufgenommen eine nützliche Wirkung entfalten können. Präbiotika sind unverdauliche Nahrungsbestandteile (z. B. Inulin), die als „Futter“ für Darmbakterien dienen. Synbiotika kombinieren beides. Verträglichkeit ist individuell: Präbiotika können anfangs vermehrt Gasbildung verursachen – deshalb langsam einschleichen und auf den Körper hören.
Probiotika liefern nützliche Bakterien, Präbiotika deren Nahrung. Synbiotika kombinieren beides – starten Sie langsam und beobachten Sie die Verträglichkeit.
Vergleich: Probiotika-Evidenz bei Morbus Crohn
Stamm/Präparat (Beispiel) | Indikation | Evidenzlage | Hinweise |
---|---|---|---|
L. rhamnosus GG | Schub (Induktion) | Unklar/keine Überlegenheit vs. Placebo | Stammspezifisch prüfen; CFU und Lagerung nach Hersteller |
E. coli Nissle 1917 | Remissionserhalt | Keine konsistente Senkung der Rückfälle | V. a. bei CU untersucht; bei Crohn kein gesicherter Nutzen |
Saccharomyces boulardii | Remissionserhalt | Daten limitiert; kein gesicherter Vorteil | Bei bestimmten Risikogruppen mit Vorsicht (siehe unten) |
Mehrstammige Mischungen (z. B. De‑Simone‑Formulierung) | Postoperatives Rezidiv | Kein konsistenter Effekt | Stammliste und Qualität dokumentieren |
Praktische Einordnung spezieller Stämme
Faecalibacterium prausnitzii wird als Marker für eine gesunde Darmflora diskutiert und ist bei IBD oft vermindert. Als marktreifes Probiotikum steht dieser Stamm derzeit praktisch nicht zur Verfügung. Setzen Sie daher auf evidenzgeprüfte, verfügbare Stämme – und auf ärztliche Begleitung. (PubMed: Übersicht zu F. prausnitzii und IBD.)
So wählen Sie ein Produkt
- Stammgenau: Achten Sie auf die exakte Bezeichnung (z. B. L. rhamnosus GG statt nur „Lactobacillus“).
- Dosierung/CFU: Übliche Bereiche liegen je nach Produkt im Milliardenbereich pro Tag; Herstellerangaben beachten.
- Lagerung: Kühlkette oder Raumtemperatur? Hinweise des Herstellers beachten.
- Qualität: Transparente Chargenangaben, ggf. Siegel oder Zertifikate.
- Einnahmedauer: Testphase 4–8 Wochen; Symptomtagebuch führen (z. B. Stuhlfrequenz, Schmerzen, Blähungen).
Für wen ist Vorsicht geboten?
- Starke Immunsuppression, kritische Grunderkrankungen, zentrale Venenzugänge: Seltene Blutstrominfektionen mit Probiotika sind beschrieben – hier nur nach ärztlicher Rücksprache. (Übersichtsartikel: Probiotika-assoziierte Bakteriämien/Fungämien (PMC), PubMed: S. boulardii-assoziierte Fungämie.)
- Stationäre/Intensivpatient:innen: Risiko individuell abklären; Hygieneregeln strikt beachten. (Sicherheitsbewertung von Probiotika auf Intensivstationen (PMC).)
- Ausgeprägte Blähungen/Schmerzen unter Präbiotika: Dosis reduzieren oder pausieren; langsam einschleichen.
Mikronährstoffe bei Morbus Crohn
Häufige Themen bei Crohn sind Vitamin D, Vitamin B12, Eisen und Folat. Empfehlung: gezielt supplementieren, wenn ein Mangel nachgewiesen ist – inklusive Verlaufskontrollen. Vitamin D sollte bei Mangel aufgefüllt werden; B12‑Mangel ist v. a. bei Ileum‑Beteiligung oder nach Ileumresektion relevant; Eisenmangelanämie ist häufig und sollte leitliniengerecht behandelt werden (oral oder bei aktiver Entzündung oft besser intravenös). (BSG-Guideline: Mikronährstoffe/Vitamin D bei IBD (PMC), AGA Clinical Guidance: Eisenmangelanämie, Review 2024: Management der Eisenmangelanämie (ScienceDirect).)
Mikronährstoffe gezielt nach Labor auffüllen und kontrollieren. Bei aktiver Entzündung ist i. d. R. i. v. Eisen wirksamer als Tabletten.
Nahrungsergänzungsmittel in der Praxis
Vitamin‑D3‑Kapseln von Nordic Oil und Vitamin B12 können eine gute Basisversorgung unterstützen, wenn ein Mangel vorliegt. Besprechen Sie Dosierung und Zielwerte mit Ihrer Praxis; regelmäßige Kontrollen helfen, die Versorgung zu optimieren (Anzeige/Partnerlink). (Hintergrund zu Vitamin‑D‑Mangel bei IBD (PMC).)
Auch Probiotika von Nordic Oil können als ergänzende Maßnahme ausprobiert werden – mit realistischen Erwartungen und nach ärztlicher Rücksprache, insbesondere bei bestehender Medikation oder Vorerkrankungen (Anzeige/Partnerlink). Leitlinien empfehlen Probiotika bei Crohn derzeit vor allem im Studienkontext. (AGA-Leitlinie: Rolle von Probiotika.)
Praxis-Checkliste
- Vor Start: Diagnose gesichert? Aktuelle Medikation notiert? Basislabor inkl. Vitamin D, B12, Ferritin/Transferrinsättigung abgestimmt?
- Während der ersten 4–8 Wochen: Symptomtagebuch führen; auf Verträglichkeit achten; ggf. Dosis anpassen.
- Nach 4–8 Wochen: Nutzen nüchtern bewerten (Symptome, Wohlbefinden, ggf. Entzündungsmarker). Bei fehlendem Nutzen: wechseln oder pausieren.
- Abbruchkriterien: Anhaltende Verschlechterung der Symptome, Fieber, starke Bauchschmerzen – ärztlich abklären.
Häufige Fragen
Wie lange sollte ich ein Probiotikum testen?Planen Sie eine Testphase von 4–8 Wochen. Bleibt der Nutzen aus oder treten anhaltende Beschwerden auf, besprechen Sie das weitere Vorgehen.
Kann ich Probiotika mit Kortikosteroiden oder Biologika kombinieren?Möglich, aber bitte nur nach Rücksprache mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt. Probiotika ersetzen keine Standardtherapie.
Unterschied zu Colitis ulcerosa?Bei CU gibt es in bestimmten Situationen Hinweise auf Nutzen ausgewählter Stämme; bei Crohn ist die Evidenz schwächer. (WGO-Leitlinie Probiotika/Präbiotika – IBD‑Abschnitt.)
Sie suchen Informationen zu Standardtherapien (z. B. Kortikosteroide, Immunmodulatoren, Biologika)?
Quellen
- Cochrane Review: Probiotics for induction of remission in Crohn’s disease (2020). Cochrane-Artikel zur Induktionstherapie, PubMed-Abstract (2020).
- Cochrane Review: Probiotics for maintenance of remission in Crohn’s disease. Cochrane-Artikel zum Remissionserhalt.
- AGA Guideline: Role of probiotics in GI disorders (2020). AGA Clinical Guidance: Probiotika bei GI-Erkrankungen.
- ECCO Guidelines (2024): Therapeutics in Crohn’s Disease – Übersicht publizierter Leitlinien. ECCO: Publizierte Leitlinienübersicht.
- World Gastroenterology Organisation: Probiotics and Prebiotics – IBD‑Kapitel. WGO-Leitlinie Probiotika & Präbiotika.
- BSG Guideline (2019): Management of IBD in adults – Mikronährstoffe/Vitamin D. PMC: BSG-Guideline (2019).
- AGA Guidance: GI Evaluation/Management von Eisenmangelanämie (2020/2024 Update). AGA Clinical Guidance: Eisenmangelanämie, ScienceDirect: Review/Update 2024.
- Sicherheitsaspekt: L. rhamnosus‑Bakteriämie und S. boulardii‑Fungämie (Fallserien/Studien). PMC-Übersicht zu Probiotika-assoziierten Infektionen, PubMed: S. boulardii‑assoziierte Fungämie.
- Forschungsmarker: Faecalibacterium prausnitzii bei IBD. PubMed: Überblick zu F. prausnitzii.