MSM und Hormone: Entzündungshemmung und Hormonproduktion verbessern
Leila WehrhahnAktualisiert:
MSM (Methylsulfonylmethan) ist eine organische Schwefelquelle. Schwefel wird u. a. für Bindegewebe sowie für schwefelhaltige Aminosäuren (Cystein, Methionin) und das körpereigene Antioxidans Glutathion benötigt. Viele fragen sich: Beeinflusst MSM auch Hormone wie Cortisol, Östrogen oder Melatonin? In diesem Ratgeber erfahren Sie, was die Forschung derzeit nahelegt – und was (noch) nicht belegt ist.
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Das Wichtigste in Kürze
- MSM liefert organisch gebundenen Schwefel; direkte Effekte auf Hormonspiegel (z. B. Östrogen, Progesteron, Testosteron) sind bisher nicht belegt (Evidenz: gering).
- Bei Stress/Belastung könnte MSM über antiinflammatorische Mechanismen indirekt wirken; klare Human‑Daten zur Cortisolregulation fehlen (Evidenz: gering).
- Für Gelenkbeschwerden und Sportregeneration gibt es erste RCTs mit kleinen bis moderaten Effekten auf Schmerz/Erholung (Evidenz: begrenzt).
- Typische Dosierung: 1,5–3 g/Tag, langsam auftitrieren; Effekte je nach Ziel nach 2–8 Wochen erwarten.
- Sicherheit: i. d. R. gut verträglich; Vorsicht bei Schwangerschaft/Stillzeit, Gerinnungshemmung, Niereninsuffizienz; bei Beschwerden absetzen und ärztlich abklären.
Was ist MSM – und wie wirkt es im Körper?
MSM ist eine stabile, gut lösliche Schwefelverbindung. Nach oraler Aufnahme wird Schwefel dem Organismus bereitgestellt; Schwefel ist Bestandteil der Aminosäuren Cystein und Methionin sowie von Glutathion (körpereigenes Antioxidans). Daraus ergibt sich ein plausibler Bezug zu antioxidativen und entzündungsmodulierenden Prozessen. Direkte hormonregulierende Wirkungen (z. B. „MSM erhöht Melatonin“) sind in Humanstudien bislang nicht überzeugend gezeigt. Eine häufig gelesene Aussage – MSM „unterstütze die Synthese essentieller Aminosäuren“ – ist falsch: Essentielle Aminosäuren kann der Mensch nicht selbst bilden. Korrekt ist: MSM liefert organisch gebundenen Schwefel, der u. a. für schwefelhaltige Aminosäuren und Glutathion benötigt wird.1
MSM ist eine Schwefelquelle und kann so antioxidative und entzündungsbezogene Prozesse beeinflussen. Direkte Effekte auf Hormonspiegel sind bisher nicht belegt.
Welche Evidenz gibt es zu MSM und Hormonen? | Zu Dosierung & Einnahme | Zu Sicherheit
MSM und Hormone: Was sagt die Forschung?
Cortisol/Stress
Cortisol ist ein zentrales Stresshormon. Präklinische Daten deuten an, dass MSM in Muskelzellen Stressreaktionen modulieren kann (u. a. p53/SDHA/HPRT1‑Signalwege in Pferde‑Muskelzellen). Das zeigt eine mögliche anti‑Stress‑Wirkung auf Zellebene, lässt jedoch keine Aussagen über eine Cortisolregulation beim Menschen zu. Humanstudien zur direkten Beeinflussung des Cortisolspiegels durch MSM fehlen; mögliche Effekte sind eher indirekt über Entzündungs- und Belastungsreaktionen zu erwarten (Evidenz: gering).2,3
Hinweise aus Zellstudien: MSM kann Stresssignale dämpfen. Beim Menschen ist eine direkte Cortisolsteuerung bisher nicht gezeigt.
Zyklus, PMS und Wechseljahre
Beschwerden wie Stimmungsschwankungen, Schlafprobleme oder Schmerzen gehen oft mit hormonellen Veränderungen einher. Für MSM existieren derzeit kaum belastbare Human‑Daten zu direkten Änderungen von Östrogen/Progesteron/Testosteron oder zu PMS/Wechseljahres‑Beschwerden. Aussagen zu hormonellen „Balance‑Effekten“ sind deshalb spekulativ (Evidenz: gering). Zudem gibt es in der EU keine zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben (Health Claims) zu MSM in diesem Kontext.4
Schilddrüse
MSM ist kein Ersatz für L‑Thyroxin und es gibt keine Evidenz, dass MSM TSH‑, fT3‑ oder fT4‑Spiegel senkt. Bei diagnostizierten Schilddrüsenerkrankungen gilt: Einnahmen und Anpassungen immer ärztlich absprechen. Mehr Hintergründe finden Sie im Ratgeber zu MSM und Schilddrüse. (Evidenz: gering)
Schlaf, Serotonin & Melatonin
Direkte Belege, dass MSM die Produktion von Serotonin oder Melatonin steigert, fehlen. Denkbar ist ein indirekter Pfad: weniger Belastungsschmerz und bessere Regeneration könnten subjektivem Schlaf zugutekommen. Ein RCT bei Halbmarathonläuferinnen und ‑läufern fand klinisch relevante (aber statistisch nicht signifikante) Reduktionen von Muskel‑/Gelenkschmerz mit 3 g/Tag MSM über 3 Wochen; Schlafhormone wurden nicht gemessen (Evidenz: gering).5
Haut/Akne (hormonassoziiert)
Für topische MSM‑Kombinationen gibt es erste klinische Daten (z. B. mit Hyaluronsäure und L‑Carnosin) zu Hautfeuchtigkeit/Elastizität; diese sind Kombinationspräparate, nicht MSM‑Monotherapien. Für orale MSM‑Gabe bei hormonassoziierter Akne fehlen robuste Human‑Daten. Unterscheiden Sie daher zwischen topischer Kosmetik‑Wirkung und systemischer Nahrungsergänzung (Evidenz: gering).6
Sport & Regeneration
Mehrere kleine RCTs prüfen MSM im Kontext körperlicher Belastung. Ergebnisse: teils geringere Marker für oxidative Belastung und Muskel‑/Gelenkschmerz; Effekte sind inkonsistent und oft moderat. Beispiele: 50 mg/kg/Tag über 10 Tage erhöhte die Gesamt‑Antioxidanz und dämpfte CK/Bilirubin‑Anstiege; eine Einzeldosis (100 mg/kg) verbesserte u. a. Protein‑Carbonyle; 3 g/Tag über 3 Wochen reduzierte Schmerzen klinisch relevant, jedoch ohne statistische Signifikanz. Aussagen zu „anabolen“ Wirkungen oder Hormonsteigerungen ergeben sich daraus nicht (Evidenz: begrenzt).5,7,8
Kleine Studien zeigen Vorteile bei Erholung/Schmerz nach Belastung. Eine Hormonsteigerung ist daraus nicht ableitbar.
Was bringt MSM in der Praxis?
MSM kann für Ziele wie Gelenkkomfort, Belastungstoleranz oder allgemeines Wohlbefinden erwogen werden. Direkte hormonelle Effekte sind nicht gesichert. Was bedeutet das für die Anwendung?
Dosierung & Einnahme
- Start: 1,5 g/Tag in 1–3 Portionen; nach Verträglichkeit auf 2–3 g/Tag steigern. In Studien wurden teils bis 6 g/Tag eingesetzt.
- Einnahmezeitpunkt: flexibel; zu Beginn bevorzugt zu Mahlzeiten, um die Magenverträglichkeit zu verbessern.
- Kombination mit Vitamin C: wird praxisnah häufig kombiniert. Vitamin C „verbessert“ die MSM‑Aufnahme nicht zwingend, kann aber antioxidative Gesamteffekte ergänzen.1
Wie lange bis es wirkt?
- Gelenkkomfort: 2–4 Wochen bis zur Beurteilung; einzelne RCTs über 12 Wochen zeigen kleine bis moderate Verbesserungen.9,10,11
- Haut: bei oraler Einnahme 6–8 Wochen (Datenlage begrenzt; topische Kombis früher sichtbar).6
- Schlaf/Stressempfinden: 4–8 Wochen, v. a. über indirekte Effekte (z. B. weniger Belastungsschmerz).5
Tipp: Führen Sie ein kurzes Symptomtagebuch (Schmerz‑VAS, Schlafqualität, Belastungsverträglichkeit) und prüfen Sie Fortschritte alle 2–4 Wochen.
Mini‑FAQ (Praxis)
Macht MSM „müde“ oder „fit“?Weder sedierende noch stimulierende Wirkungen sind konsistent belegt. Subjektive Effekte hängen eher mit Schmerz/Regeneration zusammen (indirekte Pfade).
Kann ich MSM zusammen mit Schilddrüsenhormonen einnehmen?Grundsätzlich ja, aber keine Therapie ersetzen und Einnahmen mit der behandelnden Praxis abstimmen. Bei Veränderungen der Symptome ärztlich prüfen.4
Dürfen Schwangere/Stillende MSM nehmen?Datenlage unzureichend; Vorsichtsprinzip: ohne ärztliche Rücksprache nicht einnehmen.
Sicherheit, Wechselwirkungen und Qualität
- Verträglichkeit: MSM gilt in üblichen Dosierungen als gut verträglich; gelegentlich treten zu Beginn gastrointestinale Beschwerden auf (Völlegefühl, weicher Stuhl).1
- Vorsicht/Keine Einnahme: Schwangerschaft/Stillzeit (mangelnde Daten), bekannte Niereninsuffizienz, laufende Antikoagulation (ärztlich abklären), bekannte Unverträglichkeiten gegenüber Sulfit/Sulfiten (Differenzial beachten; individuelle Abklärung).
- Langzeitsicherheit: Tier‑ und Human‑Daten deuten auf eine gute Sicherheit hin; Behörden verweisen jedoch auf begrenzte Human‑Langzeitdaten. Für gesundheitsbezogene Aussagen bestehen in der EU keine Zulassungen, z. B. zu „Hormonbalance“.1,4
- Produktqualität: Achten Sie auf Reinheit (z. B. destilliertes MSM wie OptiMSM), Chargen‑Zertifikate (CoA), Grenzwerte für Schwermetalle und transparente Herkunft.
MSM ist meist gut verträglich. Bei besonderen Situationen (Schwangerschaft, Antikoagulation, Nierenproblemen) ärztlich rücksprechen und Qualität des Produkts prüfen.
Evidenz‑Matrix (Kurzüberblick)
Thema | Was wird behauptet? | Was sagt die Forschung? | Praxisrelevanz | Evidenz |
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Cortisol/Stress | MSM „reguliert Cortisol“ | Hinweise aus Zellmodellen; keine Human‑Belege zur Cortisolregulation | Indirekte Effekte via Entzündung/Erholung möglich | Gering2,3 |
PMS/Wechseljahre | „Hormonbalance“ | Keine robusten Human‑Daten; keine EU‑Health‑Claims | Symptom‑Management denkbar, nicht Hormonspiegel | Gering4 |
Schilddrüse | Beeinflusst TSH/T3/T4 | Keine Evidenz | Kein Ersatz für L‑Thyroxin | Gering |
Schlaf/Melatonin | Steigert Schlafhormone | Keine Daten; indirekte Pfade via Schmerzreduktion | Individuell testen | Gering5 |
Haut/Akne | Verbessert hormonelle Akne | Topische Kombis teils positiv; oral: unklar | Hautziele: eher topisch | Gering6 |
Sport/Regeneration | Weniger DOMS/Schaden | Kleine RCTs: teils geringere Marker/Schmerz | Praktisch relevant bei Belastung | Begrenzt5,7,8 |
Gelenke/OA | Weniger Schmerz/Steifigkeit | RCTs: kleine bis moderate Verbesserungen; systematische Reviews fordern größere Studien | Nach 8–12 Wochen bewerten | Begrenzt9,10,11,12 |
Was wir (noch) nicht wissen
- Es gibt keine zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben zu MSM für Hormone, Schlaf oder „Hormonbalance“ in der EU.4
- Langzeit‑RCTs mit harten klinischen Endpunkten fehlen; individuelle Reaktionen können variieren.1,12
Fazit – in 5 Sätzen
MSM ist eine gut verträgliche Schwefelquelle mit plausiblen antioxidativen und entzündungsmodulierenden Effekten. Für direkte hormonregulierende Wirkungen gibt es derzeit keine belastbaren Human‑Daten. Praktisch relevant sind eher Ziele wie Gelenkkomfort, Belastungstoleranz und subjektives Wohlbefinden – realistische Erwartungen und Beobachtung der individuellen Reaktion vorausgesetzt. In der Anwendung bewähren sich 1,5–3 g/Tag über mehrere Wochen mit langsamer Steigerung. Qualität, Sicherheit und ärztliche Rücksprache in besonderen Situationen haben Priorität.
Weiterlesen: MSM und die Schilddrüse – Hintergründe und Praxis · Mögliche Anzeichen eines niedrigen Schwefelstatus
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Quellen
- Butawan M, Benjamin RL, Bloomer RJ. Methylsulfonylmethane: Applications and Safety of a Novel Dietary Supplement. Nutrients. 2017;9(3):290. DOI: 10.3390/nu9030290.
- Spandidos et al. Methylsulfonylmethane inhibits cortisol‑induced stress through p53‑mediated SDHA/HPRT1 expression in racehorse skeletal muscle cells. Exp Ther Med. 2019. DOI: 10.3892/etm.2019.8196 · Volltext: Open Access.
- Universitätsklinikum Freiburg. Methylsulfonylmethan (MSM) – Übersicht & Literatur (Addendum). PDF. Zugriff via Uniklinik Freiburg.
- EFSA NDA Panel. Scientific Opinion on health claims related to methylsulphonylmethane (MSM). EFSA Journal. 2010;8(10):1746. DOI: 10.2903/j.efsa.2010.1746 · EU‑Register: Überblick.
- Withee ED, et al. MSM and exercise‑induced stress after a half‑marathon: double‑blind RCT. J Int Soc Sports Nutr. 2017;14:24. DOI: 10.1186/s12970-017-0181-z · Open Access.
- Guaitolini E, et al. Nutraceutical with hyaluronic acid, L‑carnosine and MSM improves facial skin parameters: randomized, placebo‑controlled study. J Clin Aesthet Dermatol. 2019;12(5):28‑34. Open Access.
- Barmaki S, et al. Effect of MSM supplementation on exercise‑induced muscle damage and total antioxidant capacity. J Sports Med Phys Fitness. 2012;52(2):170‑174. PMID: 22525653.
- Nakhostin‑Roohi B, et al. Single‑dose MSM and oxidative stress after exhaustive exercise: double‑blind RCT. Iran J Pharm Res. 2013;12(4):845‑853. Open Access.
- Debbi EM, et al. Efficacy of MSM in osteoarthritis of the knee: randomized controlled study (12 Wochen). BMC Complement Altern Med. 2011;11:50. DOI: 10.1186/1472-6882-11-50 · Open Access.
- Kim LS, et al. MSM in knee osteoarthritis: pilot clinical trial. Osteoarthritis Cartilage. 2006;14(3):286‑294. DOI: 10.1016/j.joca.2005.10.003.
- Brien S, et al. Systematic review of DMSO/MSM in osteoarthritis. Osteoarthritis Cartilage. 2008;16(11):1277‑1288. DOI: 10.1016/j.joca.2008.03.002.